■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Schulkampf als Machtkampf
Je näher man sich auf den Kreis derjenigen zubewegt, die über Politik nicht nur reden, sondern sie selber machen, umso weniger ist von der Sache, umso mehr dafür von persönlichen Motiven die Rede. Ein Beispiel aus jüngster Zeit: Da bricht der SPD-Unterbezirk Bremen-Ost einen gewaltigen Streit über die Kosten des Umzugs der Kinderschule vom Körnerwall an die Lothringer Straße vom Zaum, und was lesen die parteigewandten Insider dabei heraus? – Ulrike Hövelmann will Bringfriede Kahrs beerben.
Bringfriede Kahrs dürfte einschlägig interessierten BremerInnen als bildungspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion bekannt sein. Wer aber ist Ulrike Hövelmann? Erst Ende der 80er Jahre in die Partei eingetreten, hat es die SEK-I-Lehrerin schon bis in den Vorstand des SPD-Unterbezirks-Ost gebracht. Gleichzeitig hat sie im Triumvirat von GEW, Personalrat Schulen und SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB) je einen Fuß an Deck – beste Ausgangsbedingung also für den Sprung in Bürgerschaft und Bildungsdeputation.
Da sitzt nur noch Bringfriede Kahrs im Weg. Doch deren Stuhl wackelt schon. Gleich dreimal hatte sie in den letzten Monaten einstecken müssen: Zuerst war sie bei der Schulleiterwahl in der Erwachsenenschule gnadenlos durchgefallen, dann hatte sie sich mit ihrer Zustimmung zum Ampel-Kompromiß in Sachen Schuleinzugs-Grenzen in der Partei unbeliebt gemacht und kurz darauf mit ihrer Abwahl aus dem Vorstand des Unterbezirks Nord auch gleich die Quittung dafür bekommen. Kein Windhund der Partei, der so eine Gelegenheit nicht wittern würde.
So denken Politinsider: Formuliert also die UB-Ost-Vorständlerin Hövelmann eine gepfefferte Erklärung gegen die Kinderschule – und trifft damit die Konkurrentin Kahrs. Denn die hat die Umwandlung des einst verfolgten Schulexperiments in eine staatliche Versuchsschule mitbeschlossen und muß nun den Vorwurf einstecken, mit viel Geld eine Eliteschule für ein paar grüne Bildungsbürgerkinder zu stützen.
Doch zum politischen Geschäft gehört nicht nur die scharfe Attacke, sondern auch die vorsichtige Verteidigung. Und da läßt die Newcomerin Ulrike Hövelmann noch zu wünschen übrig. Hat doch der grüne Bildungspolitiker Wolfram Sailer (Kinder besuchten Kinderschule) herausgefunden, wo die scharfzüngige Gegnerin von Eliteschulen ihre eigenen Kinder hinschickt: aufs Schwachhauser Kippenberg-Gymnasium.
Rosi Roland
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