Üble Schadstoffe werden gesondert geklärt

■ Bremer Umwelttechniker mit neuartigem Abwasserklärreaktor auf der Achema-Messe in Frankfurt

„Nur der Kleingeist hält Ordnung, das Genie beherrscht das Chaos“ – solch großartige Sprüche gelten im Bremer Institut für Umweltverfahrenstechnik, das der Universität angegliedert ist, nur für Kaffeetassenberge in der Spüle. Drinnen, in der Halle des Fahrenheitgebäudes auf dem Gelände des Technologieparks, herrscht nämlich peinliche Ordnung im Gewirr von Leitungen, Schläuchen und Kabeln. Dort werden die Abwasserwelten von Industriebetrieben systematisch simuliert und modellhaft manipuliert: Auch Klärsysteme müssen effektiver und wirtschaftlicher gestaltet werden.

„Es herrscht ein Riesentechnologiedruck“, weiß man im Institut. „Denn heute ist der neueste Stand der Technik innerhalb eines Jahres überholt“ – und das, wo es von der Idee bis zur Realisierung einer Entwicklung zwischen sieben und neun Jahren dauert.

Auf der Basis solider Grundlagenforschung entstand im Institut deshalb das jüngste Modell für die industrielle Abwasseraufbereitung. Ein Abwasser-Reinigungsreaktor, der auch schwierige Stoffe, beispielsweise Benzole, Schwermetalle aus der Kosmetikherstellung oder giftige Rückstände aus der Arzneimittelproduktion bewältigen kann. Mehr noch: Das neuartige biologische Klärsystem ist in Form von schlanken Senkrechtröhren platzsparend dort zu installieren, wo die Stoffe anfallen.

Nach dem Baukastenprinzip sind die einzelnen Bestandteile des Systems zu ersetzen, sobald die Wissenschaft weitere Fortschritte macht – große, runde Klärbecken sind nur noch Schnee von gestern. Das Glück für die Forschung ist dabei das Wasserhaushaltsgesetz. Das zwingt Kommunen und Betriebe, wassergefährdende Stoffe zurückzuhalten – der Maßstab dafür ist der neuesten Stand der Technik.

Neben dem Faktor „Raum“ berücksichtigen die neuen Forschungsergebnisse aber auch den Faktor „Zeit“: Der Klärprozeß selbst wird rationeller gestaltet. Dazu müssen die leicht abbaubaren Stoffe von den giftigen Substanzen im Abwasser getrennt werden. „Denn mit den Bakterien ist es wie mit den Menschen. Sie widmen sich zuerst den leichten Aufgaben.“ Die Schwierigkeiten bisheriger biologischer Klärtechnik liegen damit auf der Hand: Den wirklich schwer abbaubaren und giftigen Substanzen setzt die herkömmliche biologische Klärung erst sehr allmählich zu.

Mit dem neuen System soll das anders werden: Eine einfache Membran, bekannt aus der Meerwasserentsalzung, trennt „gut“ von „böse“. Die „bösen“ köcheln dann im gesonderten Reaktoren – und auch hier gibt es einen simplen Gedanken, der die Erfindung wirtschaftlich interessant machen soll: Wie im Sprudelbad wird von unten ein Bio-Gas-Gemisch in die Klärsäule eingeblasen. Das steigt ohne zusätzlichen Energieaufwand nach oben und vergrößert dank der sprudeligen Blasen die Fläche, an der Abwasser und Gasgemisch optimal chemische Reaktionen eingehen können.

„Diese Ideen an sich sind nicht neu“, gibt Professor Räbinger gerne zu, wenn er das Modell erläutert. Aber das sei eben das besondere am Institut: „Man muß es interdisziplinär in Verfahrenstechnik umsetzen“. ede