Das Übel beginnt bei Geranien

■ Massenaufzucht der typischen Balkonpflanze gilt als unökologisch / Auch zum Plastik-Blumenkasten gibt es Alternativen, zum Beispiel aus Altpapier oder Holz

Sind Geranien das Hauptübel der Balkonbepflanzung? Ulla Müller, Geschäftsführerin im Freilandlabor Britzer Garten, einem Ableger der Stiftung Naturschutz, schmunzelt und meint, natürlich könne jeder auf seinem Balkon anpflanzen, was er wolle – also auch Geranien. Aber in ihren Seminaren, die sie im Frühjahr an der Volkshochschule in Zehlendorf und Neukölln abhält, versucht sie doch auf Alternativen zur Balkon- Monotonie hinzuweisen und geht noch einige Schritte weiter in ihrer Beratung, die sie auch im Freilandlabor anbietet.

Bei dieser Beratung will sie Grundlagen vermitteln und verfolgt drei Hauptstränge: „Wie sind die Standortbedingungen, wieviel Aufwand möchte der Balkonbesitzer mit den Pflanzen betreiben, und wieviel will er finanziell investieren?“ So gebe es zum Beispiel Kästen für ganz Faule, die man ohne große Pflege drei bis fünf Jahre stehenlassen kann und denen es auch nicht schadet, wenn der Besitzer mal zwei Wochen in Urlaub ist. „Ein Beispiel für diese Art von Bepflanzung ist die Fetthenne, bei der schon das Gießen manchmal zuviel Pflege ist.“

„Stauden zum Beispiel erfordern viel Geduld in der Aufzucht. Und da die meisten Leute gleich große, den ganze Sommer über blühende Pflanzen haben möchten, fällt diese Alternative zur Geranie weg.“ Ein Problem bei der Staudenbepflanzung sei auch die Winterlagerungsmöglichkeit in Neubauten, wo oft keine Keller mehr zur Verfügung stünden.

Das Problem der Balkonbepflanzung fange für den Städter oftmals schon bei der Beschaffung der torffreien Erde an, so Müller. Leider achte der Verbraucher selten auf den Inhalt. In 50 bis 80 Liter gute Erde müsse man schon 90 Mark investieren. „Bei den meisten Pflanzen empfiehlt es sich sowieso, alte und neue Erde zu mischen, um so ökologisch sinnvoll zu düngen. Nur dauerblühende, vielzehrende Pflanzen wie Geranien brauchen zusätzlich Dünger.“

Wenig ökologisch, zudem nicht sehr haltbar seien Plastik-Blumenkästen, erklärt Ulla Müller: „Aber Faserzementkästen, inzwischen ohne Asbest erhältlich, sind sehr schwer und daher nicht für alle Balkone geeignet, aber dafür sehr lange haltbar und für eine dauerhafte Bepflanzung sehr nützlich. Altpapierkästen sind leicht und eignen sich hervorragend für Kübelbepflanzungen mit großen Stauden, außerdem verringern sie den Altpapierberg. Ton- und Holzgefäße sind gut luft- und wasserdurchlässig, letztere müssen allerdings mit einer wasserfesten Folie ausgelegt werden.“

Der Ordnungssinn verhindert Phantasie

Im Stadtteilladen 61 in der Bergmannstraße weiß man genau über die gesetzlichen Bestimmungen der Balkonbepflanzung Bescheid. „Der Hausbesitzer kann sogar einheitliche Blumenkästen vorschreiben, das wird allerdings selten gemacht. Alles, was an Fensterbrettern oder an der Fassade angeschraubt wird, ist jedoch genehmigungspflichtig“, so eine Mitarbeiterin.

Geranien seien nicht das eigentliche Übel der Balkonbepflanzung. Zwar sei die holländische Massenaufzucht alles andere als ökologisch, und dazu teuer, da die meisten Balkonbesitzer die Pflanzen im nächsten Jahr durch neue ersetzen. Das Problem sei der Wunsch nach sauberer, ordentlicher Balkonbepflanzung. Alte Blätter und Blüten würden sofort abgemacht, was gerade bei Stauden falsch sei. Ulla Müller strebt eine Bewußtseinsänderung beim Balkongärtner an. „Oftmals sind sich der Hobbygärtner und der Profi nicht bewußt, wieviel man mit Form und Farbe der Pflanzen arbeiten könnte. Phantasie ist gefragt, auch Steine, Wurzeln und Beeren bringen Farbe und Leben in die nichtblühende Bepflanzung.“ Selbst Gartenzwerge böten Abwechslung, behauptet Müller.

Ulla Müllers Vorschlag zur ökologischen Abfallbeseitigung stößt auf einige Vorurteile: „Die Wurm- Kompost-Kiste auf dem Balkon für den biologischen Abfall stinkt weder, noch breiten sich die Würmer aus“, so Müller, deren Tips als Broschüre im Britzer Garten abgeholt werden können (s. Info-Kasten auf Seite 40). Dort berät sie Interessierte auch individuell.

Kleinklima profitiert von jedem Töpfchen

Doch nach der Erfahrung des Stadtteilladens 61 gibt es derer nicht viele, mehr interessiert die Hofbegrünung, obwohl der Erholungswert der Balkonbegrünung und ihr Beitrag zur Reinerhaltung der Luft wichtig sei: „Das Kleinklima profitiert davon allemal, Staub wird ferngehalten, die Temperatur auf dem Balkon gesenkt und Sauerstoff erzeugt.“ Eines der schönsten Beispiele für Fensterbegrünung finde sich in der Riemannstraße in Kreuzberg 61.

Manfred Schmidt, Mitbesitzer der Gärtnerei Hofgrün in der Dresdener Straße in Kreuzberg, verspricht Beratung. „Immer mehr Leute kommen besonders im Frühling, da sie doch nicht mehr glauben, daß die Geranie das Nonplusultra ist. Sie weichen auf Stauden aus, die jedes Jahr wiederkommen, da die Geranie irgendwie ein steifes Kunstprodukt ist. Eine Begrenzung zur Bepflanzung des Balkons gibt es nicht, außer dem Gewicht der Töpfe und wieviel Platz man selbst noch auf dem Balkon haben will.“ Da sie zudem noch ihre Pflanzenanzucht in Rudow und Buckow hätten, könne man nach der Beratung Pflanzen bei ihnen erwerben. Eva Blank

Auswahl einiger Pflanzen für verschiedene Standorte:

Sonnig: Stauden, Rosmarin, Salbei, Mittagsblume, Mauerpfeffer, Thymian, Glockenblume, Margeriten, Phlox, Lavendel, Rittersporn, Fetthenne;

Halbschatten: Fuchsien, Männertreu, Pantoffelblume;

Schatten: Blaischwingel, Bärenfellgras, Segge, Zwergmispel, Fingerkraut, Ginster, Efeu.