Wir haben auch 'ne Bücherei

■ Grüne Bücherwürmer / Wegweiser für mehr als 100 Umweltbibliotheken

Die Notwendigkeit für ein Verzeichnis der deutschen Umweltbibliotheken dürfte jedermann sofort einleuchten, denn: Umwelt gleich Ökologie gleich Alternativszene gleich Selbstverwaltung plus ehrenamtlicher Arbeit gleich vollkommenes Chaos. Logisch. Ein wenig Übersicht kann also nicht schaden.

Ob dies der Gedanke war, dem der erste „Wegweiser für Umweltbibliotheken“ seine Entstehung verdankt, ist der kürzlich erschienenen 136-Seiten-Broschüre nicht zu entnehmen. Die einfache Gleichung wird von den Daten, die der Wissenschaftsladen Bonn unter der Redaktion von Antje Lembach über diesen ganz speziellen Zweig bibliophilen Treibens zusammengetragen hat, jedenfalls so nicht bestätigt.

104 Umweltbibliotheken zählt der Wegweiser, davon 48 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, wo der Begriff untrennbar verbunden ist mit der Chronik der Bürgerbewegung. In Ostdeutschland findet sich auch – allerdings mit einer wiederum ganz anderen Entstehungsgeschichte – die älteste und größte Bücherei, die der kleine Almanach verzeichnet: Die 1909 gegründete Wissenschaftliche Bibliothek der Wolfener Vermögensverwaltung AG, vormals Filmfabrik Wolfen, stellt mit einem Bestand von rund 300.000 Bänden alle anderen in den Schatten. Selbst die nächstgrößte Sammlung, die „Zentrale Fachbibliothek Umwelt“ des Berliner Umweltbundesamtes (das übrigens so freundlich war, den Wegweiser zu finanzieren), hat „nur“ etwa 180.000 Bücher und Broschüren in den Regalen.

Beide Institute sind natürlich nicht nur ob des großen Bestandes absolute Ausnahmeerscheinungen und tauchen in dem Wegweiser nur wegen ihrer fachlichen Schwerpunke und bürgernahen Konzeption auf. Ansonsten entsprechen sie so gar nicht dem, was man sich gemeinhin unter einer „Umweltbibliothek“ vorstellt und was auch die überwiegende Mehrheit der Projekte kennzeichnet, die sich nach einer umfangreichen Fragebogenaktion beim Bonner Wissenschaftsladen meldeten und nun mit allen wichtigen Daten (unter anderem Bestand, Öffnungszeiten, Ausleihbedingungen und Themenschwerpunkte) verzeichnet sind.

Die BonnerInnen würden das Projekt gern kontinuierlich fortführen, doch ist unklar, ob sie auch weiterhin die dafür nötige Förderung erhalten.

Nötig wäre es. Die aus der Not geborenen Informations- und Sammelpunkte (Ost) und die im alternativen Sturm und Drang der Anti-Atomkraft-Bewegung entstandenen Zentren von „Gegenöffentlichkeit“ (West) sind nämlich auch nach oft langjähriger Routine noch immer für eine Überraschung gut: Seit der „Wegweiser“ vor rund zwei Monaten erschien, erhielt Antje Lembach schon so einige Briefe von Leuten, die schrieben: „Moment mal, wir haben auch 'ne Umweltbibliothek.“ Jochen Siemer

Umweltbibliotheken. Ein aktueller Wegweiser. Zu beziehen gegen 15 DM Unkostenerstattung beim Wissenschaftsladen Bonn e.V., Colmantstraße 18, 53115 Bonn.

Wegen der besser gefüllten Portokasse verteilt das Umweltbundesamt den Wegweiser kostenlos: Umweltbundesamt, Zentraler Antwortdienst, Postfach 330022, 14191 Berlin.