■ Tour d'Europe
: Urnen-Infos

In Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Dänemark fangen die Wahlen zum Europäischen Parlament schon am Donnerstag, den 9. Juni an, weil in diesen Ländern nach alter Sitte der Sonntag nicht durch so profane Dinge wie Wahlen entweiht werden darf. Alle anderen stimmen am Tag des Herrn über die neue Zusammensetzung des Straßburger Parlaments ab.

Mehr als 100 Parteien streiten sich um die 567 Sitze. Bisher waren es nur 518, aber weil das größere Deutschland statt mit 81 künftig mit 99 Abgeordneten vertreten sein wollte, bekamen einige andere Länder zum Ausgleich und damit sie Ruhe geben ebenfalls einige Sitze dazu. Die Zahl der Parlamentsplätze spiegelt ohnehin nur ungefähr die Größe der Mitgliedsstaaten wieder. Bei 80 Millionen Deutschen kommt ein Abgeordneter auf rund 800.000 Einwohner, während die sechs Luxemburger Parlamentarier zusammen gerade mal 400.000 Einwohner repräsentieren.

Außerdem soll die Nationalität der Gewählten im Europäischen Parlament ohnehin an Bedeutung verlieren. Wir sind alle Europäer, und deshalb haben wir beim letzten Mal 179 Sozialisten beziehungsweise Sozialdemokraten gewählt, 162 Christdemokraten, 44 Liberale, 28 Grüne und 16 Rechtsradikale. Insgesamt haben sich die Abgeordneten zu zehn länderübergreifenden Fraktionen zusammengeschlossen, die zwar oft nicht allzuviel gemeinsam haben, aber nur durch den Fraktionsstatus an die begehrten Plätze in den Ausschüssen kommen.

Die Fraktion der Sozialisten/Sozialdemokraten hat als einzige versucht, diesmal beim Wahlkampf mit einem gemeinsamen Programm anzutreten. Allerdings war es äußerst schwierig, Eckpunkte zu finden, die von den deutschen Sozis genauso unterschrieben werden können wie von den stark nationalistisch gefärbten griechischen Pasok-Politikern oder der britischen Labour-Party. Das Ergebnis scheint vielen sozialistischen und sozialdemokratischen Politikern weniger interessant zu sein als die heimische Politik, die deshalb wie bei den übrigen Parteien auch im Vordergrund steht. Die anderen Fraktionen haben diese Zirkusnummer auf der gemeinsamen Wahlplattform gar nicht erst probiert, und daher ist es für die Wähler auch so schwer auszumachen, für welche Europapolitik die Kandidaten und Parteien eigentlich stehen. Weil sie weitestgehend ohne Konzepte antreten, an denen man sie irgendwie unterscheiden könnte, wird gemeinhin davon ausgegangen, daß das Entscheidende Ergebnis in der Höhe der Wahlbeteiligung liegen wird. Eine niedrige Wahlbeteiligung gilt als Mißtrauensvotum gegen Europa allgemein, eine hohe als Stärkung der Europäischen Institutionen.

Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung bei mageren 58,5 Prozent. Zum ersten Mal können Ausländer mitwählen, vorausgesetzt sie kommen aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union.bois