Washingtons lautes Korea-Grübeln

Die USA erwägen nun doch Sanktionen gegen Nordkorea – angeblich, um das Kim-Il-Sung-Regime an den Verhandlungstisch zu führen / Moskau und Peking dagegen, Tokio nicht  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Es war nicht der erste Drohbrief aus Pjöngjang, doch dieses Mal sind die Begleitumstände ernster. „Verheerende Konsequenzen, die den Frieden in Asien und in der Welt gefährden“, hatte letzten Samstag der nordkoreanische Außenminister Kim Yong Nam dem UN-Generalsekretär Butros Ghali angekündigt, falls die UNO Sanktionen gegen sein Land verhängen sollte. Fünf Tage später, am Donnerstag, ließ die US-Regierung verlauten, daß sie nun tatsächlich im UN-Sicherheitsrat Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea durchsetzen wolle. Der Grund: Die nordkoreanische Regierung hatte sich letzte Woche geweigert, Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zuzulassen, als im Atomkraftwerk von Yongbyon Brennstäbe ausgelagert wurden. Eine Untersuchung dieser Brennstäbe wäre jedoch nötig gewesen, um festzustellen, ob und wieviel Plutonium in den letzten Jahren für die Produktion von Atomwaffen abgezweigt worden ist.

In den USA geht man inzwischen davon aus, daß Nordkorea ein oder zwei Atombomben gebaut hat. Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückzuzwingen und die Produktion weiterer Bomben zu verhindern, ist derzeit offizielles Ziel der Clinton-Administration. Ob dies durch Sanktionen erreicht werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Zwar ist dieses letzte Reservat des Stalinismus bereits weitgehend isoliert und nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten ökonomisch kurz vor dem Kollaps. Doch eine der wichtigsten Verbindungen zur westlichen Welt wird nur schwer zu kappen sein: In Japan leben über 250.000 gebürtige Nordkoreaner, die Familienangehörige in der Heimat jährlich mit Gütern und Finanzmitteln im Wert von über einer Milliarde Dollar versorgen. Unter anderem kauften sie im letzten Jahr rund 40.000 Autos japanischer und südkoreanischer Machart, die nach Nordkorea verschifft und von dort weiter exportiert wurden. Ob Japan bereit ist, diesen Wirtschaftsverkehr zu unterbinden und sich über den Druck der koreanischen Lobby hinwegzusetzen, muß sich erst noch zeigen. Der japanische Außenminister Koji Kakizawa ging aber gestern in die Offensive: Vor dem Parlament sagte er, falls die USA im Alleingang ohne UN-Unterstützung Sanktionen vorbereiteten, werde Tokio Washington dabei voll unterstützen.

Die Vereinten Nationen könnten in einem ersten Schritt den nichtkommerziellen Flugverkehr einstellen, Nordkoreas Mitgliedschaft in internationalen Organisationen suspendieren und technologische Hilfe stoppen. Ein totales Handelsembargo, das auch den Stopp von Öllieferungen mit einschließt, gilt als fraglich, da China als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ein Veto einlegen könnte. China versorgt Nordkorea mit 75 Prozent seiner Lebensmitteleinfuhren und mit 60 Prozent der Ölimporte. Zwar haben die USA gerade letzte Woche einen größeren Konflikt mit Peking vermieden, indem Washington die Meistbegünstigungsklausel für chinesische Importe in die USA verlängerte. Doch damit ist noch keineswegs gesagt, daß China im Sicherheitsrat auf die Sanktionslinie der USA einschwenkt. Ein solches Embargo müßte zudem durch eine Seeblockade durchgesetzt werden, da Staaten wie der Iran weiterhin versuchen würden, Nordkroea mit Öl zu beliefern.

Eher verhaltene Reaktionen waren auch aus Moskau zu hören, wo Präsident Boris Jelzin gerade seinen südkoreanischen Amtskollegen Kim Young Sam zum Staatsbesuch empfing. Die südkoreanische Regierung, die jegliche Eskalation vermeiden will, dürfte mit Wohlwollen den Vorschlag des russischen Präsidenten zur Kenntnis genommen haben: Statt Strafaktionen zu starten, sollte mit Beteiligung der USA, Chinas, Japans, Rußlands und der beiden Koreas eine internationale Konferenz mit dem Ziel einberufen werden, die koreanische Halbinsel atomwaffenfrei zu machen.