Arbeitslos durch falsche Politik

■ Wissenschaftler der OECD betreiben fundierte Regierungs-Schelte: Die Welt hat sich geändert, doch die Politiker der Industriestaaten machen weiter wie bisher

Paris/Berlin (dpa/AFP/taz) – Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit in den Industrieländern ist die Unfähigkeit der Regierungen. Diesen Vorwurf werden sich die Wirtschafts- und Finanzminister der 25 OECD-Industrieländer am Dienstag in Paris anhören und ihn ernst nehmen müssen. Die Kritik ist fundiert: Zwei Jahre haben Wissenschaftler der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für ihre Studie über Arbeitslosigkeit geforscht, die sie nun auf der Sitzung des Ministerrats am 7./8. Juni vorlegen werden.

Weder der technische Fortschritt noch Importe aus Billiglohn-Ländern, noch eine Verschärfung des internationalen Wettbewerbs ist nach Auffassung der Experten die wahre Ursache steigender Arbeitslosigkeit. Vielmehr stellten die Ökonomen des renommierten Industrieklubs eine erschreckende Unfähigkeit ihrer 25 Mitgliedsländer fest, ihre Politik an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Insgesamt sind heute 35 Millionen Menschen – mehr als acht Prozent der Erwerbsbevölkerung in den Industriestaaten – arbeitslos. Nicht berücksichtigt sind dabei die Millionen unterbezahlter Arbeitnehmer in den USA. In den fünfziger und sechziger Jahren zählte die OECD noch weniger als zehn Millionen Arbeitslose. Angesichts des weiteren Anstiegs der Arbeitslosenzahlen, so verlautete bisher zum Inhalt der Studie, müssen die Mitgliedsländer daher noch stärker als bisher ihre Fähigkeit zur Anpassung ihrer Politik an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse ausbauen.

Mangelnde Ausbildung, Protektionismus sowie als überholt geltende soziale Schutzbestimmungen werden angeprangert. Statt der Suche nach Wundermitteln wird eine noch rigidere Überprüfung der Sozialpolitik empfohlen. Sämtliche in den vergangenen 30 Jahren eingeführten Sozialmaßnahmen müßten gründlich durchforstet werden, um festzustellen, „wie und in wieweit jede von ihnen die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft blockiert hat“, heißt es in der Studie. Dabei soll das von jedem Land gewünschte Maß an sozialem Schutz ausdrücklich nicht angetastet werden.

Jede ungenügende Anpassungsmaßnahme des einen Landes verschlimmere überdies die Lage in den anderen – trotz wieder anziehender Konjunktur. Die Organisation schlägt ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor, insbesondere eine größere Flexibilität bei den Arbeitszeiten und den Löhnen und Gehältern. Die Qualifikation der Arbeitskräfte sollte durch grundlegende Veränderungen des Ausbildungssystems verbessert werden.