Dissident in China festgenommen

■ Fünfter Tiananmen-Jahrestag / Polizisten auf den Straßen

Peking (AFP) – Am fünften Jahrestag des Massakers auf dem Pekinger Tiananmen-Platz ist in Schanghai der Dissident Bao Ge festgenommen worden. Wie ein Freund Baos telefonisch mitteilte, wurde der Dissident von der Polizei abgeholt, nachdem er offiziell die Gründung einer Menschenrechtsgruppe beantragt hatte. Der Gruppe gehörten bereits 167 Personen in verschiedenen Provinzen an. Den Angaben zufolge will sich Baos Organisation für Religionsfreiheit und die Gründung von Gewerkschaften einsetzen. Ferner fordert er die Entschädigung der Angehörigen von Menschen, die während der japanischen Besatzung und bei dem Tiananmen- Massaker getötet worden waren.

Nach Einschätzung westlicher Experten waren 50.000 bis 75.000 Polizisten und Soldaten der Volksbefreiungsarmee anläßlich des Jahrestages der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Peking zusammengezogen worden. Auch die Universitäten wurden von Hunderten Polizisten in Uniform und in Zivil bewacht. In der Nacht hatten sich Gruppen von etwa zwanzig Soldaten auf Dächern an zwei Hauptverkehrsstraßen plaziert, die jedoch am Morgen wieder abgezogen wurden. Augenzeugen berichteten aus Schanghai, auch an den dortigen Universitäten sei die Lage ruhig geblieben.

In Hongkong versammelte sich eine kleine Menschenmenge vor dem Denkmal für die Opfer des Massakers auf dem Tiananmen- Platz. In Neu-Delhi erklärte der Tibetanische Jugendkongreß seine Solidarität mit den Studenten der niedergeschlagenen Demokratiebewegung. In Indien leben etwa 100.000 Exil-Tibeter.

Am Abend des 3. und am 4. Juni 1989 waren Armee und Polizei auf dem Tiananmen-Platz gewaltsam gegen friedlich demonstrierende Studenten und Arbeiter vorgegangen. Amtlichen Angaben zufolge töteten sie dabei 300 Menschen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von Hunderten oder gar Tausenden Toten.