FDP will mit CDU/CSU Kirchensteuer kippen

■ Nach dem Treueschwur für die Union beschloß der FDP-Bundesparteitag am Wochenende ein liberales Wahlprogramm ohne jegliche Realisierungschance

Rostock (taz) – Die FDP habe auf dem Parteitag ein Wahlprogramm verabschiedet, „das in einigen Punkten deutlich von den Positionen der CDU/CSU abweicht“, meldeten Nachrichtenagenturen am Wochenende aus Rostock. Die öffentliche Wahrnehmung der Liberalen seit der Bundespräsidentenwahl macht solche Heraushebung offensichtlich notwendig: Aufgepaßt, die FDP ist nicht nur Hilfsorganisation der Union! Die Delegierten wollen eine solche Funktion nicht. Nach Kinkels Auftaktrede, in der viele liberales Profil vermißten, bestätigte der Parteitag zwar die Koalitionsaussage. Dann aber verabschiedete er – teils gegen die Parteiführung – ein Programm, das für ein Lehrbuch liberaler Überzeugungen in der Rechts- und Innenpolitik reiches Anschauungsmaterial bietet. Es fordert unter anderem die Trennung von Amt und Mandat sowie das Zurückziehen des Staates aus der Kirchensteuer, lehnt den „Großen Lauschangriff“ ab und verlangt eine gründliche Reform des Staatsbürgerrechts. Die Koalitionsaussage der Delegierten war ausdrücklich „auf der Basis des liberalen Wahlprogramms“ getroffen worden, wie Klaus Kinkel mehrfach betonte.

Die Liberalen versprechen so ihren Wählerinnen und Wählern, im Falle eines Wahlsiegs mit den christlichen Parteien über die konsequente Trennung von Staat und Kirche zu verhandeln. Das Programm verlangt, auf das staatliche Eintreiben der Kirchensteuer zu verzichten. Die Kirchen sollen ein eigenes Beitragssystem aufbauen.

Ähnlich erfolgsversprechend in Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU-Koalition erscheint auch die Durchsetzung der Programmforderung nach der Trennung von Amt und Mandat: Wer Minister wird, soll künftig sein Bundestagsmandat niederlegen. Gegen Beschwörungsversuche Kinkels und Genschers schrieb die Parteitagsmehrheit diese reine Gewaltenteilung fest.

Schon die wenig dramatische Reaktion im Saal ließ erkennen, daß damit keine Revolution ausgebrochen war. Daß Kinkel am Rande der Veranstaltung seinem Ärger über diesen „Scheiß“ Luft machte, war unnötig: Die liberalen Minister werden sich schlicht nicht an den Beschluß halten.

Für Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger etwa steht fest, daß es doch nicht „Minister 1. und 2. Klasse geben kann“. Sie sieht in dem Beschluß einen Auftrag zu Verhandlungen mit den anderen Parteien. Die Jungliberalen interpretieren ihren Erfolg anders: als Selbstbindung der FDP-Abgeordneten.

Daß Deutschland ein Einwanderungsland ist, steht nun im Programm: Die Liberalen wollen ein Gesetz mit Einwanderungsquoten nach bestimmten Kriterien, das kommunale Wahlrecht für Ausländer nach acht Jahren, die doppelte Staatsbürgerschaft und ihren Erwerb durch Geburt (ius soli).

Auch die Wahl der Ausländerbeauftragen Cornelia Schmalz-Jacobsen auf den freigewordenen Präsidiumssitz soll FDP-Positionen im Ausländerrecht stärken. Aber die Liberalen wollen nun die schon einmal zugesagte Reform des Staatsbürgerrechts ausgerechnet mit jenen Parteien realisieren, an denen sie bislang gescheitert ist.

Eine der wichtigsten Forderungen im sozial- und wirtschaftspolitischen Teil ist die nach einem einheitlichen „Bürgergeld“, das Leistungen wie Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Bafög oder Kindergeld ersetzen soll. Gegen die Arbeitslosigkeit helfen angeblich massive Einschnitte in das geltende Tarifrecht. Mit eigenen Gesetzen will die FDP in Tarifverträge eingreifen. Revisionsklauseln sollen eine Anpassung der Löhne an die wirtschaftliche Entwicklung und flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen. Ausnahmen vom Tarif sollen für Langzeitarbeitslose erlaubt sein: Sie sollen als Einstiegsgehalt weniger Geld bekommen. Schließlich sollen auch die Zumutbarkeitskriterien bei der Vermittlung Arbeitsloser verschärft werden. Hans Monath

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