Genial: Alle Autos ins Museum

■ Höhepunkt für die Papa-Sohn-Beziehung: Die Ferrari-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie / Am Lack des Automobilkonzerns wird nicht gekratzt

Berlin ist prima! Endlich muß man sich in der Neuen Nationalgalerie nicht mehr über intellektuell angekränkelte Kunst, die sowieso kein normaler Mensch versteht, ärgern, sondern kann ungestört die schönen schieren Waren eines ganz anderen Lebens bestaunen: vor allem rote, aber auch blaue, blitzeblanke Ferraris posieren neben Konstruktionsplänen und ihren diversen Innereien in der „gläsernen Halle des Mies van der Rohe, eines Meisters der technischen Perfektion“ (Katalog). Kraftvoll gemahnen sie an die utopischen Versprechen des Fernsehens, unwillkürlich erinnern sie an die Autoquartette, Carrerarennbahnen, das Allmachtsversprechen der Matchboxautos glückseliger Jungskindheiten. Da freuen sich die Papas mit ihren kleinen Söhnen. Ganz ohne falsche Scham regredieren sie zur fröhlich plappernden Papa-Sohn- Maschine und kaufen sich hübsche Radmuttern als Briefbeschwerer (250 DM) oder schicke Modellautos aus Chrom (200 DM). Alles ist klasse, und man möchte den Veranstaltern von Ferrari und dem Kunstgewerbemuseum recht herzlich dafür danken, daß sie dem sympathischen Automobilkonzern – sicher immer noch zuwenig – Museumsfläche zur Verfügung gestellt haben.

Die Ferrari-Ausstellung ist gerade in der Hauptstadt, die sich mannhaft bislang dem totalitären Plastikhelmgeplärre verdreckter, selbstverwirklichungssüchtiger Radfahrer, ökofaschistischer Fußgänger und gemeingefährlicher BVG-Benutzer entzieht, hoffnungsvolles Zeichen einer Abkehr von Materialismus, Egoismus und Langzeitstudium. Eine Hinwendung zum Idealischen deutet sich hier an. Deshalb heißt die Ausstellung auch „L'idea Ferrari“. Die Idee Ferraris ist genial und so schön gar, daß sie sich einer kruden Verbalisierung oder Verbildlichung, um die sich acht Italiener des beratenden Ausschusses und zwei Berliner OrganisatorInnen jahrelang bemühten, verweigert.

Ob es sich bei der Idee, um „den Willen, zu siegen und aufzufallen“, wie der Fiat-Chef Giovanni Agnelli schreibt, ein simples „designed for speed“, wie Barbara Mundt vom Kunstgewerbemuseum vermutet, oder um den Gedanken Enzo Ferraris handelt, mit der Gründung seines „Rennstalls“ „unabhängigen Fahrern eine Organisation zu bieten, die ihnen die Teilnahme am Autorennen erleichtern sollte“, ob das gewagte Experiment, einen 12-Zylinder-Motor zu bauen, gemeint ist oder der Wille, schöne und schnelle Rennwagen zu bauen, wird nicht so ganz klar. In jedem Fall ist es eine großartige Idee, die sich vor anderen zeitgenössischen Höchstleistungen des Intellekts wie der Idee „Ed von Schleck“ nicht zu verstecken braucht. So rein ist die Idee, daß die Ausstellung auch nicht durch überflüssige Hinweise auf ein paar dahergelaufene Versager, die des Ideals nicht würdig waren, beschmutzt wird. Hinweise auf Unfälle, die es mal gegeben haben soll, fehlen in dem hübschen Katalog, das Gesicht Niki Laudas ist noch komplett, und gerechtermaßen werden auch weiterhin Unwürdige, wie neulich in Australien gleich vier, von der Idee zermalmt und zerquetscht und zerfetzt; das Auto kommt da zwar leider auch zu Schaden, die Idee aber lebt und blüht und gedeiht so ehrfurchtheischend, daß die zahlreichen BesucherInnen – „det sind alles Träumer wie wir alle“, meinte ein freundlicher Wärter – nur in weihevoller Distanz vor ihren Emanationen knien dürfen. Wer auch nur daran denkt, die Automobile zu berühren, wer davon träumt, einmal zum Spaß nur in ihnen zu sitzen, wird sofort erschossen und auf dem Potsdamer Platz verscharrt!

Ein wenig betrübt einen bei soviel Glück nur, daß die „Ausstellung nicht den Startschuß geben will für die zukünftige Aufnahme von Automobilen in die Sammlung moderner Kunst“, wie Barbara Mundt, Direktorin des veranstaltenden Kunstgewerbemuseums (und Trägerin des Ordens wider den tierischen Ernst und Ehrenhäuptling der Karl-May-Festspiele zu Bad Segeberg), kundtat. Schade eigentlich, denn die Forderung, alle Autos ins Museum zu stecken, ist durchaus innovativ.

„Wenn ich in ein Auto steig', werd' ich zum Faschisten“, meinte neulich ein netter Bekannter, und ganz nebenbei gesagt, sind fast alle Autofahrer verblödete Pisser! Detlef Kuhlbrodt

Noch bis 31.7. in der Neuen Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Di.–Fr. 9–17 Uhr, Sa./So. 10–17 Uhr