■ Neue Warnungen im Streit um Nordkoreas Atompolitik
: Wechselbad

Das Ziel ist Klar: Nordkorea soll keine Atomwaffen entwickeln. Die Regierung des isolierten Landes soll sich so bedrängt fühlen, daß sie einer internationalen Kontrolle ihrer Atomanlagen zustimmt. Ohne Bedingungen zu stellen – und ohne ganz aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen, wie sie es schon angedroht hat. Denn wenn Nordkorea austräte, hätte niemand, weder die UNO noch irgendein anderer Staat, eine formale Handhabe, um auf die Atompolitik des Regimes Kim Il Sungs einzuwirken.

Immer noch weiß niemand, ob Nordkorea solche Waffen wirklich entwickeln kann oder ob es sie gar schon hat. Offensichtlich setzen die Politiker in Pjöngjang alles daran, daß dies so bleibt. Bis heute sind die monatelangen Versuche der USA und der asiatischen Nachbarn Nordkoreas, durch Lockungen oder Drohungen ein Einlenken zu erreichen, fruchtlos geblieben.

Auf der anderen Seite haben die Nordkoreaner einiges erreicht: Die USA und Südkorea haben ihr regelmäßiges gemeinsames Manöver in diesem Jahr abgesagt. Und die Washingtoner Regierung hat sich erstmals zu bilateralen Gesprächen mit Vertretern Pjöngjangs bereit erklärt, was diese als Erfolg auf diplomatischer Ebene verbuchen können. Für den US- Präsidenten ist das innenpolitisch ganz ungünstig: Seine Gegner sehen darin einen erneuten Beweis für die außenpolitische Unfähigkeit Clintons.

Was immer gegenwärtig hinter verschlossenen Türen am Rande internationaler Konferenzen zwischen Abgesandten Nordkoreas und ausländischen Vermittlern verhandelt und versprochen wird, bleibt im dunkeln. Die Weltöffentlichkeit aber wird mit einem Wechselbad von Kriegsdrohungen und Entwarnungen bedient: US-Verteidigungsminister William Perry, der beweisen will, daß seine Regierung „Rückgrat“ hat, spricht davon, daß die Option eines präventiven Erstschlages offen sei. Damit weckt er Erinnerungen an die Bombardierung eines irakischen Forschungsreaktors durch israelische Kampfflieger im Jahr 1981. Er bekräftigt die Bereitschaft, Südkorea im Ernstfall beizustehen, und fügt gleich hinzu, es bestehe gegenwärtig keine unmittelbare Kriegsgefahr. Die nordkoreanische Regierung legitimiert sich ihrer eigenen Bevölkerung gegenüber schon lange vor allem dadurch, daß sie das Land vor einer angeblichen äußeren Bedrohung schützt. Nun erklärt sie, man werde UNO-Sanktionen als „Kriegserklärung“ auffassen.

Hinter der scharfen Rhetorik der US-Regierung aber verschwindet die eigentliche Frage, über deren Beantwortung man sich in Washington nicht einig ist: Wie können die USA und ihre asiatischen Partner ihr wirkliches Ziel auf der koreanischen Halbinsel erreichen – die Ablösung des Regimes, ohne die ganze Region zu destabilisieren? Jutta Lietsch