„Blockade schon vor dem Tag X“

■ Atommüll-Lager Gorleben soll in Betrieb gehen / Bürgerini mobilisiert Von Kai von Appen

Das umstrittene atomare Zwischenlager in Gorleben (Wendland) geht vermutlich noch in diesem Monat in Betrieb. Das bestätigte die „Brennelemente Lagergesellschaft Gorleben“ (BLG). Sprecher Jürgen Auer zur taz: „Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, daß unsere Gesellschaft einmal gegründet worden ist, um Brennelemente zwischenzulagern.“ Kommt der erste Castortransport bereits im Juni? Auer: „Das könnte sein. Ich habe mehrfach gesagt: Es kommt diesen Sommer der erste Castor.“ Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Danneberg Wolfgang Ehmke: „Wir werden verhindern, daß das Lager in Betrieb geht.“

Über zehn Jahre lang steht mittlerweile das Zwischenlager im Wendland leer. Immer wieder konnten AtomkraftgegnerInnen durch politische Initiativen und Straßen-Blockaden die Inbetriebnahme verhindern. Allein seit 1988 unternahm die BLG fünf vergebliche Anläufe, abgebrannte Brennelemente einzulagern. Ehmke: „Die Anti-Atom-Szene im Wendland ist entschlossen, die Tour erneut zu vermasseln.“

Nach Angaben der Bürgerinitiative ist der Countdown allerdings weit fortgeschritten. Ehmke: „Es ist bitterernst, denn die BLG bereitet sich konkret auf die Einlagerung vor, die Transportgenehmigung ist beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt.“ Auer bestätigt: „Wir haben seit Mai die Genehmigung, den modifizierten Castor 2a einzulagern.“

Vorangegangen war dem Genehmigungsverfahren ein heftiger Expertenstreit um die Sicherheit der Castor-Behälter. Da die AtomkraftgegnerInnen erhebliche Sicherheitsrisiken nachweisen konnten, mußte das „Fügedeckelprinzip“ modifiziert werden. Im Klartext: Da die atomaren Brennelemente dauergelagert werden sollen, mußte ein verschachteltes Behältersystem entwickelt werden, das nicht gleich beim ersten Defekt atomare Strahlung freisetzt.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist nunmehr der Auffassung, daß der neue „Castor 2a“ den Sicherheitsansprüchen genügt. „Das wird von uns angezweifelt“, so Ehmke, „denn das BfS geht davon aus, daß sich der Castor bei der Dauerlagerung nur auf 60 Grad erwärmt. Wir sind der Meinung, daß er sich auf 100 Grad erhitzen wird.“

Obwohl die BI-Lüchow-Dannenberg daher gerichtlich gegen die Einlagerungsgenehmigung vorgehen wird, laufen nach taz-Informationen bereits erste Gespräche zwischen der BLG und dem niedersächsischen Innenministerium, den Brennelemente-Transport aus dem Atomkraftwerk Phillipsburg (Baden-Württemberg) nach Gorleben durch ein polizeiliches Großaufgebot zu sichern. Der Castor soll bereits in wenigen Tagen transportfertig gemacht werden. Unklar ist derzeit, wie sich die SPD-Landesregierung um Ministerpräsident Gerhard Schröder und Umweltministerin Monika Griefahn offiziell verhalten wird, wenn sie kurz vor den Bundestagswahlen die Einlagerung des Atommülls ins Zwischenlager politisch durchsetzen muß.

Die AtomkraftgegnerInnen richten sich derweil auf die Aktionen ein. Ehmke: „Ziel ist es, den Transport wirksam zu verhindern. Wir müssen früher auf der Straße sein als der Castor, dann haben wir eine Chance.“ Dazu bedarf es nach Auffassung der BI vielfältigen Widerstands. Ehmke: „Es werden unterschiedliche Aktionen diskutiert. Wir werden mit Phantasie, mit Mitteln des zivilen Ungehorsams und der zeitweisen Außerkraftsetzung normaler Verhältnisse auf den direkten Zufahrtswegen zu den Atomanlagen unseren Widerstand ausdrücken.“ Das Motto: „Eingelagert wird nix, Blockade schon vor dem Tag X.“