„Viel Mist im Kopf“

■ Bremer Antifa-Initiativen machen mobil gegen „Beruf Neonazi“ und gegen die „Böhsen Onkelz“/ Cinema Ostertor: „Diskutieren ohne Anmweisung“

„Wir werden den Film verhindern“ – sieben AktivistInnen der Bremer Antifa-Szene waren am Montag zu Besuch beim Cinema im Ostertor. Der Anlaß: Ab Donnerstag soll im Ostertor-Kino der umstrittene Film „Beruf Neonazi“ laufen. Das wird Ärger geben. Verschiedene Gruppen „aus antifaschistischen, antirassistischen und MigrantInnenzusammenhängen“ haben per Flugblatt angekündigt, daß sie die Filmvorführungen verhindern wollen. Und was dem Cinema droht, darauf kann sich das Aladin auch schonmal einstellen. Dieselben Gruppen haben in einem Aufwasch dazu aufgerufen, auch den Auftritt der (Ex-)Skin-Kultband „Böhse Onkelz“ zu kippen. Die Gruppe soll am 28. und 29. Juni in Hemelingen auftreten.

„Beruf Neonazi“ hatte schon im März für Furore gesorgt. Da hatte das Kino 46 den Film zeigen wollen, aber aus der öffentlichen Vorführung wurde eine geschlossene Veranstaltung für handverlesenes Publikum, samt Diskussionsanhang – ein doppelter Sperriegel gegen die unkontrollierte Ausbreitung eines Filmes, dem akutes Ansteckungsrisiko mit dem Neonazi-Bazillus vorgeworfen worden war.

Dieser spezielle Bremer Filmabend lag ganz auf der Linie der Debatte, die der Film nach seiner Erstaufführung beim Leipziger Dokumentarfilmfestival losgetreten hatte. Der Graben zwischen den Positionen war tief: Auf der einen Seite diejenigen, die dem Film und seinem Regisseur Bonengel vorwarfen, er betreibe unkritische Propaganda für den portraitierten Jungnazi Bela Althans. Der Film müsse im Giftschrank verschwinden. Auf der anderen Seite stand die Position, der Film dürfe niemandem vorenthalten werden. Außerdem sei er lange nicht so schlecht, wie er von seinen KritikerInnen gemacht werde.

So festgelegt die Meinungen waren und immer noch sind, so wenige Menschen hatten bislang die Gelegenheit, den Streifen selbst zu begutachten. „Beruf Neonazi“ war zum Symbol geworden, zur politischen Wasserscheide. Tendenz: unversöhnlich. Das Kino 46 verzichtete auf weitere Vorführungen.

„Einen Film nur aus Angst vor der Auseinandersetzung nicht zu zeigen, das machen wir nicht mit“, sagt Cinema-Betreiber Thomas Settje hingegen. Also setzte das Cinema den Film für eine Woche im Juni an – und prompt kam die Reaktion: Flugblätter und der Besuch bei den KinomacherInnen. „Kein Sprachrohr den FaschistInnen“, wird das Kino in einem der kursierenden Flugblätter angegriffen. „Diese linksliberalen Kreise setzen sich lieber mit den Tätern auseinander, weil die die eigenen Haltungen nicht infrage stellen“, argumentiert Arndt von einer der Antirassismusgruppen, der seinen Nachnamen und den seiner Gruppe lieber nicht nennen will. Und daher sei es kein Wunder, daß sich die Kultursenatorin für den Film einsetze: „Die Trüpel hat viel Mist im Kopf.“ Welche der senatoriellen Positionen denn mit anderen Filmen infrage gestellt würden – „das ist eine theoretische Diskussion, darauf will ich mich nicht einlassen.“ Dem Cinema werfen die AktivistInnen vor, das Kino zeige andere kritischere Filme nicht.

„Stimmt nicht“, kontert Settje. „Die Filme, die diese Leute gerne sehen wollen, die gibt's nur auf Video. Und die können wir nicht zeigen.“ Aber wenn es andere Filme gebe, dann würden die vom Cinema auch gezeigt. Aber das sei ohnehin kein Grund, „Beruf Neonazi“ abzusagen. Und dann wird wieder klar, daß der Kinobetreiber und die DemonstrantInnen von zwei verschiedenen Filmen reden. Settje: „Der Film provoziert, das ist klar. Aber das ist doch nur gut. In anderen Programmkinos haben die Leute angefangen zu diskutieren, auch ohne Anweisung.“ Und an die Demonstranten gewandt: „Wir haben im Grunde doch die gleichen Intentionen.“

Was man evtl. auch von den beiden Seiten im neuerlichen „Böhse Onkelz“–Streit behaupten kann. Denn als Antirassist gibt sich auch Frank Hinz, lokaler Veranstalter der geplanten Konzerte im Aladin. „Warum laden sie keine linksradikalen HipHoper ein“, fragt allerdings Arndt die Verantwortlichen; „lieber streicheln sie Glatzen.“ Letztere aber sollen diesmal draußen blieben, beteuert Hinz. „Wer mit einem ,Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein'-Shirt ankommt, wird nicht reingelassen“, sagt er. Die Sicherheitskräfte seien instruiert.

Daß es sich bei den heutigen Onkelz-Fans vor allem um Neofaschisten handele, glaubt Hinz ohnedies nicht. Auch AnhängerInnen der Toten Hosen oder der Ärzte hätten in Scharen Tickets für die beiden Bremer Konzerte gekauft: „Die Fans machen diese Unterscheidung nicht.“

Daß sich – wie die Autonome Antifa befürchtet – am 28./29.6. „die Bremer Faschoszene im Aladin treffen wird – Hinz verneint es, hat aber vorsorglich doch lieber viermal soviel Sicherheitskräfte wie bei üblichen Konzerten dieser Größe geordert. An eine Absage, wie sie die Antifa fordert, denkt er nicht: Die erste Tournee der „Onkelz“ nach deren selbsterklärter Läuterung soll nicht zu allerletzt auch Geld bringen und so das Loch stopfen, das u.a. das „Rock gegen Rechts“ vom vergangenen Jahr in Hinzens Kasse riß. jg/tom