„Unsere Außenhaut ist total kaputt“

■ Können Bremens Kulturhäuser ihre Gebäude überhaupt noch zusammenflicken? Eine kleine Rundfrage

Es quietscht und knarrt und plätschert durchs Dach in Bremens Kulturhäusern – kaum ein Musik-, Theater- oder Kunstgebäude der Stadt, das nicht sanierungsbedürftig wäre. Auf Anfrage der CDU-Fraktion hat die Kulturbehörde nun Zahlen und Daten vorgelegt und aufgeschlüsselt, was in den nächsten Jahren mit wie viel finanziellem Aufwand geflickt werden darf.

Neues gibt es da vom Konzerthaus „Glocke“ zu vermelden. Die Ressorts Wirtschaft, Finanzen und Kultur haben eine Textvorlage abgestimmt, die jetzt in den Wirtschaftsförderungsausschuß geht. „Es sieht so aus, als sei laut Finanzplan das Geld zur Renovierung der Glocke jetzt da, man könnte also Anfang 95 mit den Arbeiten beginnen“, so Dieter Opper aus dem Kulturressort. Wobei das Hauptgeld für die Glocke nicht aus dem Kulturressort kommt, es ist mit nur 2 Millionen an den rund 30 Mio geschätzten Kosten beteiligt. „Wir bringen uns da eben kulturpolitisch ein, machen uns für die denkmalschutzgerechte Sanierung des Art-Deco-Gebäudes stark, setzen uns für den Erhalt der sensiblen Akustik ein und für stilgerechte Beleuchtung, Türklinken oder Paneelen.“

Was die Kulturbehörde ansonsten den Bremer Kulturhäusern an Sanierungsgeld in Aussicht gestellt hat, das genügt hier wie da gerade mal für die allerdringlichsten Notreparaturen. Für mehr reichen auch die bis 1998 zugesagten 3,8 Millionen im Focke-Museum nicht. Zu lang ist die Liste der undichten Stellen im Haus, die Museumsleiter Jörn Christiansen auf Nachfrage aufsagt. Und eigentlich sind die Mißstände am Focke-Gebäude ihm schon lange „Asche im Mund“, weil sie bereits seit zehn Jahren eingeklagt werden. „Unser Haus ist in seiner Außenhaut total kaputt“, sagt Christiansen, „das Dach ist undicht, der Keller ebenso, wir haben Schimmel und unsere Scheibenwände reißen.“ Erst vor kurzem habe ein zweieinhalbjähriges Kind eine riesige Scheibe zersprungen. Doch nicht nur BesucherInnen haben zu leiden, auch MitarbeiterInnen und Exponate, und ein Ende ist nicht in Sicht; denn mit den 3,8 Mio. hätten vielleicht noch die Sanierungskosten von 1989 aufgefangen werden können. Damals waren sie auf 4 Millionen geschätzt, inzwischen hat der Zahn der Zeit sie auf 7 Millionen potenziert. „Nun sollen aber mit solchen Schauergeschichten nicht die Leute, und vor allem nicht unsere Gönner abgeschreckt werden“, warnt Christiansen. „Wir wollen liebenswert bleiben.“ Etwas mehr politisches Verantwortungsbewußtsein für das Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte täte jedoch schon Not, handle es sich doch immerhin um „die Institution, die das Bremer Gedächtnis darstellt.“

Einen Gedächtnis-Pool ganz besonderer Art hätte auch das Bremer Staatsarchiv aufbauen können – wären nicht die veranschlagten 30.000 Mark für den Bau eines Geheimarchivs bereits wieder aus dem 95er-Haushalt gestrichen worden. Staatsarchiv-Leiter Hartmut Müller steht in Verhandlung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, welches ihm die Archivierung streng geheimer, vertraulicher Akten übertragen würde. Vorausgesetzt, es steht ein tresorähnlicher Raum dafür zur Verfügung. „Ohne das Geheimarchiv kriegen wir aber die Akten nicht“, meint der stellvertretende Staatsarchivleiter, Andreas Köpcke. „Und verpassen damit eine einmalige Chance. Ich befürchte, daß die die Akten dann anderweitig loswerden.“ Daß jetzt endlich für 1995 die 183.000 Mark für die Erneuerung der Einbruchanlage genehmigt worden sind, wurde allerhöchste Zeit; pausenlos war in letzter Zeit Fehlalarm ausgelöst worden. „Dreimal von mir selbst“, so Röpcke. „Da hat dann die Polizei jedesmal das Haus umstellt, das ist für die ja auch nicht gerade angenehm.“ Auf die Finanzierung des seit Mitte der Achtziger geplanten klimatisierten Magazins für (die gut sortierten) Film- und Bildbestände im Haus, mag man dort schon gar nicht mehr hoffen.

Im Jahre 1984 war auch zum ersten Mal auf den Sanierungsbedarf des Bühnenturmes vom Bremer Theater hingewiesen worden. Inzwischen befindet er sich so gut wie wieder im Rohbau, die Farbe ist abgeplatzt, man sieht den reinen Stein. „Der Erosionsprozeß hat bereits begonnen“, beschreibt Verwaltungsdirektor Rolf Rempe den Zustand. Wann Einhalt geboten werden kann, hat aber die Stadtgemeinde, die Vermieterin des Theaters ist, offen gelassen. Vorerst gibt es kein Geld und der Bühnenturm rottet vor sich hin; irgendwann fällt dann vielleicht aus ihm, in den Bühnenbilder und -requisiten hochgezogen werden, endgültig der Vorhang. Ähnlich skurril kann es im Hause zugehen, wenn die alten Steckkarten für die Hubpodien engültig versagen werden (neue sind vorerst aus dem Haushalt gestrichen). Dann nämlich kann es passieren, daß jemand von der Bühne verschwinden soll, es aber nicht kann, weil sie sich nicht fahren läßt. „Wir müssen dann durchsagen: Sie müssen sich jetzt vorstellen, daß derjenige dahinten auf der Bühne jetzt in die Hölle abtaucht“, erklärt Rolf Rempe. Er ist schon froh, daß wenigstens für das Lichtstellwerk nun Sanierungsgeld bewilligt wurde – letztes Jahr zu Weihnachten gab es in der Abendvorstellung einen wahrhaftigen black out, die Leute mußten Fünf nach Acht nach Hause geschickt werden, das Theater verbuchte 25.000 Mark Verlust, „und das zahlt uns ja auch kein Mensch.“

Silvia Plahl