Beirat Mitte im Politik-Streik

■ Grüne und SPD wollen „Politik der leeren Stühle“ bis zu einer „Anerkennung unserer Arbeit“

Der Beirat Mitte probt den Ausstand: Weil sich die StadtteilpolitikerInnen von Senat und Bürgerschaft nicht ernstgenommen fühlen wird es bis auf weiteres keine beschlußfähigen Sitzungen geben. Das ist das Ergebnis einer turbulenten Beiratssitzung am Montag abend, auf der die Mehrheitsfraktionen von Grünen und SPD den Boykott der Arbeit beschlossen haben, bis „unsere Arbeit anerkannt wird und das umgesetzt wird, was wir verlangen“, erklärte Werner Siemers von der SPD. Keinesfalls wolle man noch länger den „Affen machen.“

Ausgelöst hat die kleine Palastrevolte der Rücktritt von Ortsamtsleiter Hucky Heck am vergangenen Freitag. Der hatte mit der Begründung, es lasse sich in Beiräten und Ortsämtern nichts mehr bewegen, das Handtuch geworfen und hatte seinen Posten als Ortsamtsleiter Mitte/Östliche Vorstadt gekündigt. Er wolle sich nicht zum „Deppen vor Ort“ machen lassen, meinte Heck. Damit rannte er beim Beirat Mitte offene Türen ein: Nach einer kurzen Sitzung schlug die grüne Fraktion den Rücktritt der Fraktionen aus Protest gegen die Politik von Bürgerschaft und Verwaltung vor. Doch ein Rücktritt, darauf wiesen die SPD-Abgeordneten hin, hätte nichts verändert: Nur die Personen würden ausgetauscht, die NachrückerInnen würden weitermachen. Für ein deutliches Zeichen des Unmuts sollte daher eine „Politik der leeren Stühle“ praktiziert werden: Die Beiratsmitglieder werden ihre Mandate behalten, bei den Sitzungen aber nicht erscheinen oder sie schnell wieder beenden. Grüne und SPD zusammen haben im Beirat Mitte eine Mehrheit von 8 gegen 5 Stimmen von CDU/FDP. Bei der angedrohten Politik können sie die Arbeit des Beirates verhindern, weil das Gesetz für einen beschlußfähige Versammlung die Anwesenheit von mehr als der Häfte der Mitglieder vorschreibt.

„Die Begründung für Hecks Rücktritt sind auch für uns völlig nachvollziehbar, nur die Konsequenz ist für uns eine andere als der Rücktritt. So geht es mit den Beiräten nicht mehr weiter“, meinte Werner Knappe von den Grünen. „Wir wollen die Bürgerschaft und die Fraktionen zwingen, sich zu dieser Situation zu verhalten.“ Auch Werner Siemers von der SPD will mit dem Boykott zeigen, daß die Geduld des Beirats am Ende ist: „Wir wollen, daß unsere Arbeit anerkannt wird. Wozu braucht man uns denn, wenn unsere Forderungen sowieso nicht umgesetzt werden?“ Allgemein fühlen sich Grüne und SPD-Beiratsmitglieder ebenso wie Ortsamtsleiter Heck als „Pufferzone“ zwischen Bevölkerung und Bürgerschaft mißbraucht nach dem Motto: Von unten werden Forderungen aufgestellt, von oben wird abgelehnt. Da paßte es wie die Faust aufs Auge, daß sich der Beirat am Montag abend mit dem defekten und mangels Geld nicht zu reparierenden Dach einer Schule und dem geplanten neuen Cafe auf dem Domshof zu befassen hatte, das für teures Geld ein rein dekoratives, 11 Meter hohes Dach bekommen soll. „Da zeigte sich die Verhältnismäßigkeit von Dächern“, meinte Heck. Zwar würden das Cafe und das Schuldach aus verschiedenen Töpfen finanziert, „aber das ist den Leuten nicht mehr zu vermitteln.“

Für Ralf Mulde von der FDP ist der Streik eine „Mißachtung der gewählten Vertreter“ und deshalb abzulehnen. Für ihn gibt es ein „Spannungsfeld“ zwischen einer Ausdehnung der Beiräte-Kompetenzen und der Beharrung von Verwaltung und Bürgerschaft, die die Beiräte-Arbeit „in der Tat hemmt“ – aber in ein oder zwei Jahren könne das alles anders aussehen. Mulde will ebenso wie die CDU-Fraktion im Beirat weiterarbeiten. Notfalls soll der Innensenator klären, was zu tun ist, wenn die Beiräte wirklich streiken wollen.

Die rot-grüne Mehrheit jedenfalls gibt sich entschlossen: Am nächsten Dienstag wollen die aufmüpfigen Beiräte den Virus der Rebellion weitertragen. Bei der Sitzung des Beiräts Östliche Vorstadt soll es zu einem ähnlichen Beschluß kommen. bpo