Open-air bis Mitternacht

■ Der Senat beschließt die Änderung der Lärmschutzverordnung / Biergärten dürfen am Wochenende bis 24 Uhr geöffnet werden / Lärmgegner machen mobil

Das Recht auf Rausch hat sich nun auch in Berlin durchgesetzt. Wer in den Biergärten der Stadt seinen Joint drehen oder das Gute- Nacht-Bier trinken will, muß künftig nicht mehr ab 22 Uhr die Tische räumen. Zumindest nicht am Wochenende, wie es gestern der Berliner Senat beschlossen hat. Nach der „Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Bekämpfung des Lärms“ darf an Freitagen und Samstagen künftig bis Mitternacht gekifft und getrunken werden. Waren bislang Ausnahmegenehmigungen für längere Schankzeiten im Freien eher die Ausnahme, sollen sie künftig generell erteilt werden. Den lärmbetroffenen Anwohnern bleibt dann nur noch der Nachweis, daß ihre Belange in „unvertretbarem Umfang beeinträchtigt werden“.

Mit dem gestrigen Beschluß bleibt der Senat allerdings hinter der Empfehlung des Umweltausschusses zurück, die bisherigen Ausnahmeregelungen aufzuheben und im Interesse der Wirte und Touristen generell die Bedingungen für den Open-air-Trunk bis 24 Uhr festzulegen. Entsprechend harsch ist die Kritik der liberalen Freitrinker. Nicht die Interessen der mittelständischen Wirtschaft, beklagte der umweltpolitische Sprecher der FDP, Reinhard Klein, lägen den Großkoalitionären am Herzen, sondern „lediglich die Ruhe in Berliner Amtsstuben“.

Ganz anders sehen das die lärmgestreßten Anwohner. Allein der Vorstoß einiger Kneipenwirte aus Prenzlauer Berg, die bisherige Ausnahmeregelung großzügiger zu handhaben, löste bei den Betroffenen schlaflose Nächte aus. Bereits siebzig Unterschriften hat eine Anwohnerin aus der Knaackstraße gegen die fünf Cafés mit Biergarten am Wasserturm im Prenzlauer Berg gesammelt. „Die Kneipen sind nicht willens, den Anwohnern in irgendeiner Form entgegenzukommen“, begründet die Initiatorin ihre Unterschriftensammlung. Für die Mieter sei die Verlängerung der Biergartenöffnungszeiten eine Katastrophe. Eine Nachbarin sei bereits fest entschlossen, wegzuziehen, und andere beklagten sich über den Müll der Gaststätten in den Containern der Mieter. An eine einvernehmliche Regelung mit den Wirten glaubt sie nicht mehr, weil jene „schlicht nicht lernfähig sind und nur ihre eigenen Interessen verfolgen“. Doch nicht bei allen Mietern stößt die Unterschriftensammlung auf Zustimmung. „Zwar waren die ersten warmen Tage unerträglich“, berichtet ein Lehrer aus der Knaackstraße, aber gegen die Kneipen habe er nichts. „Schließlich will ich ja selber am Abend hier mein Bier trinken.“ Uwe Rada