■ Das Portrait
: Cengiz Onur

Die Wahlsprüche kommen ironisch daher: „ein frisch eingedeutschter Türke“ sei er, wirbt Cengiz Onur (33) für sich, der von der „Stadt- Guerilla zum Stadt-Rat“ wechseln wolle. Onur, der 1980 nach dem Militärputsch in der Türkei nach München flüchten mußte, ist Kandidat für den Stadtrat in der bayerischen Hauptstadt. Dort will er für die „Linke alternative Liste“ eine „wirklich anti-kapitalistische Stimme“ gegen den „pseudo-sozialen Eiertanz der SPD“ sein. Die Kommunalwahl wird jetzt wegen Listenquerelen bei der Wahl von 1990 wiederholt und findet zusammen mit dem Euro-Urnengang am Sonntag statt.

Auf dem größten Stimmzettel in der Münchner Geschichte werden sich dann 22 Parteien beziehungsweise Listen und ihre 1.500 KandidatInnen finden. Darunter auch die 27 der „Linken alternativen Liste“. Augenzwinkernd hofft der Elektrotechniker, Autor und Übersetzer Onur darauf, den WählerInnen möge auffallen, daß „da auch mal ein nicht-arischer Name auf der Liste steht“.

„Frisch eingedeutscht“ Foto: Archiv

Onur, in der Türkei politisch verfolgt als (bewaffneter) Kämpfer für die marxistische Organisation Kurtulus, ist seit 1989 anerkannter Asylbewerber – und nach langem Beharren seit 1993 einer der seltenen Doppel- Staatsbürger. Seinen Schwerpunkt bei der „Linken alternativen Liste“, einem Sammelbecken von grünen RenegatInnen, Kuba- und Dritte-Welt-AktivistInnen, sieht er in der antirassistischen und antifaschistischen Arbeit. Er fordert „offene Grenzen“, die doppelte Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht für EinwanderInnen. Zum Einwanderungsland, das keines sein will, meint Onur: „Wir sind keine Mitbürger, weil wir keine bürgerlichen Rechte haben.“ Die Gesellschaft müsse endlich akzeptieren, daß die sogenannten Ausländer Inländer seien. Die Haltung „wir haben unsere armen Schweinchen lieb“ reiche nicht mehr. Sie sei „hilfloser Antirassismus“, wenn nicht „gutgemeinter Rassismus“. Ganz besonders zuwider sind Cengiz Onur die Lichterketten: „Unter den Kerzenhaltern waren auch Brandstifter und Biedermänner.“

Als Mitarbeiter beim Münchner Bündnis gegen Rassismus mobilisiert Onur auch für die Demonstration „gegen Nazipropaganda und Volksverhetzung“, die am morgigen Donnerstag in München stattfindet. Dann halten Rep-Schönhuber und seine AnhängerInnen in der Olympiahalle die Abschlußkundgebung ihres Euro- Wahlkampfs ab. kotte