■ Cash & Crash
: Nahe am Supercrash

Eigentlich steht dem Aufschwung nichts im Wege: Da die Unternehmen fleißig rationalisieren und die Konsumenten sparen müssen, sinkt die Inflation. Die Bundesbank kann die Zinsen senken und damit die Konjunktur ankurbeln. Wäre da nicht die leidige Geldmenge.

Sie dürfte in der Rezession nur geringfügig wachsen. Statt dessen explodiert sie seit zwei Jahren. Im April lag die jährliche Steigerungsrate bei 15,4 Prozent. Nach der Theorie schafft die Geldmenge eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage: Die Produzenten füllen sie, indem sie die Preise heraufsetzen. Die Geldmenge ist die Inflation von morgen.

Wenn die Geldmengensteuerung die Religion der Bundesbank ist, dann sitzen im Zentralbankrat ausschließlich Ketzer. So ist auch der Eiertanz zu verstehen, den seine Mitglieder in der letzten Zeit dem staunenden Publikum vorführen: Vorübergehend kann man die Geldmenge vernachlässigen, letztendlich aber muß die reine Theorie wieder angewandt werden, heißt es. Falsch, sagen die Kritiker. Die Geldmenge ist nicht mehr das, was sie mal war. Die Gruppe saturierter Deutscher, die das Geld hat, braucht es nicht für den Konsum und treibt folglich auch nicht die Preise. Die Geldmenge zirkuliert an den Finanzmärkten, bläht sich durch Hypothekenkredite auf, wandert nach Luxemburg oder schlummert auf Terminkonten.

Will die Bundesbank nicht völlig unglaubwürdig werden, kann sie nichts anderes tun, als die Zinsen zu erhöhen. Am Ende des Jahres sollte das deutsche Geldmengenwachstum wieder im geplanten Korridor von vier bis sechs Prozent sein. Mit 15 Prozent im Spätsommer wäre das kaum zu schaffen. Die Bundesbank würde sich an der wuchernden Geldmenge selber rächen, denn eine solche Entscheidung würde die Finanzmärkte kalt erwischen.

Von einem Börsenkrach ist in den letzten Jahren viel geredet worden. Seltsam, daß es um dieses Thema seit einigen Monaten still geworden ist. Dabei sind Parallelen zum Supercrash von 1987 durchaus vorhanden: Auch damals sind die langfristigen Zinsen, auf die die Bundesbank kaum Einfluß hat, monatelang gestiegen. Die Renditen für Bundesanleihen kletterten seit Beginn des Jahres von 5,4 auf 6,7 Prozent – ein untrügliches Zeichen für eine bevorstehende Flucht aus Aktien. Eine kleine Überraschung seitens der Bundesbank könnte in dieser Situation Wunder bewirken. Die Last derer, die die Geldmenge horten, würde dank der Kursverluste bei Renten und Aktien vielleicht ein bißchen erleichtern. Michael Friedrich