Schneider-Jagd: Nichts als Spesen

In der Bankenmetropole kursieren die wildesten Gerüchte über den Verbleib des Bankrotteurs Jürgen Schneider / Nicht einmal das paraguayische Kopfgeld ist real  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Da hatte der finanzschwache Hessische Rundfunk weder Kosten noch Mühe gescheut und seinen rasenden Reporter Lutz Weber vom regionalen Nachrichtenmagazin „Hessenschau“ mit fetter Brieftasche in die große weite Welt geschickt – auf die Suche nach Jürgen Schneider, den untergetauchten Goldfinger aus Königstein.

Doch was dann unter dem Titel: „Kennen Sie Schneider? Flüchtig!“ als ARD-Exklusivreportage über die Mattscheiben flimmerte, war lediglich ein Beleg dafür, daß Weber Geld mit vollen Händen ausgeben kann, um dann mit leeren Händen dazustehen: Kein Schneider in der Schweiz, kein Schneider auf den Inseln vor Florida, kein Schneider in Paraguay. Auch den Schweißspuren der professionellen Kopfgeldjäger konnte Weber nicht lange folgen: Die harten Männer aus der Branche der Detektive warfen das Handtuch, nachdem sich eine Interpol-Meldung als Ente entpuppt hatte, wonach auf Schneider ein Kopfgeld von einer Millionen US-Dollar ausgesetzt sei. Außer Spesen nix gewesen.

Wo immer sich Jürgen Schneider und seine Ehefrau Claudia Schneider-Granzow mit ihren Geldkoffern aufhalten mögen – die Gerüchte aus der Bankenmetropole am Main dürften sie über die Maßen amüsieren. Danach hat das wegen Betrugs an der Deutschen Bank (1,2 Milliarden Mark) und betrügerischen Bankrotts zur Fahndung ausgeschriebene Ehepaar eine Zuflucht im Nahen Osten gefunden – ausgerechnet im Einflußbereich der fundamentalistischen Theokraten von Teheran. Da wird sich der passionierte Biertrinker und Lebemann Schneider aber arg disziplinieren müssen.

Schließlich habe Schneider als leitender Angestellter einer Baufirma in den 70er Jahren diverse Bauprojekte im Iran betreut. Und wurde nicht erst in der vergangenen Woche in Köln ein iranischer Geschäftsmann festgenommen, der dem Ehepaar Schneider geholfen haben soll, Beträge in dreistelliger Millionenhöhe auf diverse Konten in diverse Länder der Erde zu transferieren?

Der Iraner soll ein Studienfreund von Schneider gewesen sein und über „beste Beziehungen“ zur iranischen Botschaft in der Bundesrepublik verfügt haben. Der seit dem 1. Juni inhaftierte Iraner jedenfalls befindet sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft weiterhin in Untersuchungshaft – „wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr“.

Vertreter der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Frankfurt und Beamte des BKA reisten gestern erst einmal in die Schweiz, um im Gespräch mit KollegInnen und Bankiers „nähere Erkenntnisse“ insbesondere zum Transfer und zum Verbeib der Gelder von den Firmen- und Privatkonten der Eheleute Schneider einzuholen. Fest scheint bislang offenbar nur zu stehen, daß Schneider und Frau im März 1994 liquide Vermögenswerte in Höhe von 245 Millionen Mark über London und Nassau (Bahamas) auf Bankkonten von Treuhandgesellschaften in Genf transferiert haben. Auch eine „neue Erkenntnis“ der Staatsanwaltschaft, denn bislang waren Insider davon ausgegangen, daß Schneider den „Fluß“ seiner Millionen schon in Nassau gestoppt habe. Zu Hause hinterließen die Schneiders ein bankrottes Bauimperium mit einem Schuldenberg von vier Milliarden Mark.

Gegenüber der taz bestätigte Oberstaatsanwältin Hildegard Becker-Toussaint gestern, daß in Paraguay kein Kopfgeld auf Schneider ausgelobt worden sei. Warum Interpol in Paraguay die Meldung vor Monatsfrist bestätigt hatte, konnte sich die Staatsanwältin nicht erklären. Und weil Becker-Toussaint nicht weiß, wo Schneider und Frau stecken, bleibt sie lieber in ihrem Büro in Frankfurt sitzen – und ißt solange Mettwurst, das Leibgericht von Jürgen Schneider.