■ Soundcheck: Nine Inch Nails / Helgoland / Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs / Charles Lloyd Quartet / Karl Denson Group
Gehört: Nine Inch Nails. Dämonisch und satanisch wollte Trent Reznor wirken. Also stolperte er aus dem Kostüm-Fundus der Horror-Abteilung heraus wie eine Kreuzung zwischen Alice Cooper und Frank N. Furter. Weil er weiß, daß Synthesizer selbst tätowierte Kerle wie Schreibkräfte aussehen lassen, hatte er eine richtige Band rekrutiert. Die paßte sich dem dumpfen Pathos seines Dum-Dum-Industrials an, mengte nur ein paar eiskalte Riffs und hübsch gegniedelte Soli in den metallischen Soundbrei. Wenn sich der Nebel auf der Bühne mal verzog, spielte Reznor brav den Psychopathen – Ihr wißt schon, Mikroständer schleudern und so. Seine Fans fanden's natürlich voll gut.
Björn Ahrens
Heute abend: Helgoland und Ostzonensuppenwürfelmachen-krebs. Das Quartett Helgoland kreiselt musikalisch im Auge des Echo-Hurrikans dieses Satzes. Ein lustiges Notenzerhackstücken gehört in das Spiel der Gruppe. Außerdem Partituren, aufgeschlitzt wie S-Bahn-Sitze. Helgoland interessieren sich für die Schönheit von Röntgenaufnahmen, für die bedrückende Sentimentalität des Bundeslandes Schleswig-Holstein und für die Genauigkeit, mit der sie kompositorisch einen Punkt, ein Komma und einen Strich zu einem Noise-Gesicht zusammenlagen. Musikalische Endlos-Bilderschleifen? Auf die Frage ziehen Helgoland die zur Antwort gebräuchlichen Worte dicht an dicht zusammen und hauen Buchstaben raus: Instrumen-tadellos. Wie die Kollegen von den Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs, mit denen heute der Abschluss der gemeinsamen Tournee begangen wird.
Kristof Schreuf
Westwerk, 22 Uhr
Heute abend: Charles Lloyd Quartet und die Karl Denson Group. Als John Lennon Ende der Siebziger beim Brotbacken in sich ging, versuchte es der Saxophonist Charles Lloyd mit der Gartenarbeit. Aus seinen Meditationen holte ihn, der in den Sechzigern ein bekannter Jazzer war, der fanzösische Pianist Michel Petrucciani heraus. So feierte der 1938 geborene Lloyd ein umjubeltes Comeback auf dem Montreux Festival. Noch lange bevor Miles und die anderen Jazzer mit Rock experimentierten, trat der aus Memphis stammende Komponist in Kalifornien vor einem Rock-Publikum auf. Inzwischen ist mit The Call seine dritte Aufnahme für ECM erschienen. Durch die Gartenarbeit wurde seine Musik mehr sophisticated. Die explosiven Klänge von damals haben einen introvertierten und romantischen Hauch bekommen. Nicht gewandelt hat sich aber die beherzte, gefühlvolle Art, in sein Instrument zu blasen, sowie seine Vorbilder John Coltrane, Bill Evans, Eric Dolphy und Billy Holiday. Als Vorgruppe bietet die Karl Denson Group improvisierten Hard-Bop-Jazz.
Nikos Theodorakopulos
Fabrik, 21 Uhr
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