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Wende im sogenannten Hooligan-Prozeß?

■ Widersprüchliche Aussagen der Belastungszeugen im Prozeß um die Schlägerei in einer Storkower Disco lassen die Ereignisse in anderem Licht erscheinen

Ein bißchen skeptisch guckte er schon, der Vorsitzende Richter, als einer der drei Hauptbelastungszeugen schildert, wie ein unbekannter Rabauke mit Springerstiefeln in der Magengrube eines Mädchens rumgehüpft sein soll. Und wie er das Mädchen rettete und vor die Tür trug. Zu dumm nur, daß sonst keiner den Vorfall beobachtet hat. Warum die spektakuläre Tat noch nicht mal im Protokoll der polizeilichen Vernehmung auftaucht, kann der Zeuge nicht erklären. Auch am zweiten von insgesamt acht Verhandlungstagen im Prozeß gegen elf mutmaßliche Berliner Hooligans, die 1993 eine Massenschlägerei in Storkow angefangen haben sollen, wird nicht klar, was wirklich passiert ist.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen schweren Landfriedensbruch vor. Dabei geht die Ermittlungsbehörde davon aus, daß die überwiegend aus Ostberlin stammenden Jugendlichen im Juli vergangenen Jahres in die Discothek „Volkshaus“ nach Storkow gefahren waren, um eine „alte Rechnung“ zu begleichen: Bei einem vorangegangenen Besuch an Pfingsten 93 hatte es Streit um ortsansässige Mädchen gegeben. Einen Monat später sollen die Berliner dann in die Storkower Disco gefahren sein, um vorsätzlich eine massive, mit Möbelstücken und Bierseideln ausgetragene Keilerei anzuzetteln. In Notwehr, so die Anklage, habe der Wirt mit einer großkalibrigen Pistole sechs der Jugendlichen zum Teil erheblich verletzt.

Widersprüchliche Darstellungen

Ob die Darstellung der Staatsanwaltschaft, die sich offensichtlich völlig auf die Aussagen des Wirtes und dessen Teilhaber stützt, aufrechterhalten werden kann, wird immer fraglicher. Die drei Zeugen der Anklage – der Wirt, sein Kompagnon und dessen Bruder – gaben widersprüchliche Darstellungen der Ereignisse ab. So wollen weder K. noch S. bestätigen, daß die elf Angeklagten Hooligans sind. Das hatten sie aber seinerzeit bei der polizeilichen Vernehmung noch behauptet. Und keiner der bisher gehörten Zeugen konnte auch nur einen verletzten Storkower Discobesucher namhaft machen oder gar einem der Angeklagten konkret eine Straftat zuordnen. „Die sehen doch alle gleich aus“, so der Zeuge K. Auf die Frage eines Verteidigers, warum er denn gegenüber den Zeitungen und im Fernsehen von einem Überfall auf die Discothek gesprochen habe, äußerte er: „Man sagt doch immer das, was die Medien hören wollen.“

Es bleibt fraglich, ob überhaupt Gäste verletzt wurden. Erwiesen ist bislang nur, daß außer den sechs angeschossenen Jugendlichen nur der Wirt, sein Teihaber, dessen Bruder und einer der Türsteher verletzt wurden. Doch die Schuld der elf Jugendlichen wiegt gemessen an der Rumballerei des Wirtes eher gering. Schließlich hat der noch zweimal auf einen, durch eine Schußverletzung bereits hingestürzten Mann geschossen und damit den Notwehrbegriff mehr als nur stark strapaziert. Ein anderer, 19jähriger Mann, wird voraussichtlich für den Rest seines Lebens behindert bleiben.

Fatale Verwechslung?

Möglicherweise liegt dem Streit eine fatale Verwechslung zugrunde: Der Vorbesitzer der Discothek „Volkshaus“ soll, nachdem es zu geschäftlichen Differenzen mit den beiden jetzigen Inhabern gekommen war, geäußert haben, daß er bloß mit den Fingern zu schnippen brauche, um eine Berliner Truppe zu mobilisieren, die den „Laden plattmachen“ würde. Vielleicht ist so die Überreaktion des Wirtes zu erklären? Die Verhandlung wird heute fortgesetzt. Peter Lerch

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