500.000 neue Öko-Jobs

Erstmals hat ein renommiertes Wirtschaftsforschungsinstitut die Auswirkungen einer Öko-Steuerreform durchgerechnet  ■ Aus Hamburg Hermann-Josef Tenhagen

Eine kontinuierlich steigende Energiesteuer könnte den Energieverbrauch drastisch senken und der Bundesrepublik in den kommenden zehn Jahren 300.000 bis 800.000 neue Jobs bescheren. Zu diesem Ergebnis kommen WissenschaftlerInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie für Greenpeace. Kernpunkte der Studie:

– Die Steuer erlaubt, bis 2010 ohne Wohlstandsverlust den Energieverbrauch um ein Fünftel zu senken. „Ich weiß kein anderes Instrument, daß dies erreicht“, so DIW-Forscher Michael Kohlhaas.

— Der Staat bereichert sich nicht. Die neuen Steuereinnahmen sollen Unternehmen und Bürgerinnen an anderer Stelle komplett zurückgegeben werden.

Konkret schlagen die DIW- WissenschaftlerInnen vor, eine gleich hohe Abgabe auf einen Gigajoule Kohle, Braunkohle, Gas, Heizöl, Benzin oder Strom zu erheben. Praktisch bedeutet das: Benzin würde im ersten Jahr 1995 pro Liter um zwei Pfennig teurer, von da an würde der Energiepreis pro Gigajoule jedes Jahr um real sieben Prozent steigen. Nach zehn Jahren wäre das Benzin dann 38 Pfennige teurer. Heizöl würde 2005 inflationsbereinigt 98 Pfennige je Liter kosten. Und der Strompreis für Privatkunden läge 2005 bei 35 Pfennigen je Kilowattstunde.

Im Jahr 1995 würden sieben Milliarden Mark eingenommen und wieder ausgezahlt, im Jahr 2010 schon über 200 Milliarden.

Die so eingenommenen Milliarden sollen den gierigen Finanzministern allerdings vorenthalten bleiben. Um die Steuer wirtschaftlich wirksam und politisch durchsetzbar zu machen, sehen die DIW-ForscherInnen Kohlhaas und Barbara Praetorius eine gesetzlich fixierte Rückgabepflicht vor.

Wenn alle Unternehmen in einem Jahr gemeinsam 70 Milliarden Mark an Steuern einzahlen, sollen sie in gleicher Höhe von ihren Sozialversicherungsabgaben entlastet werden. Das Geld für die Sozialversicherung kann dann aus der Ökosteuer kommen. Erwünschter Effekt: Der Umweltverbrauch wird teurer, die Arbeit billiger.

Bei den privaten Haushalten wäre eine solche Regelung zu aufwendig. Außerdem würde sie sozialversicherungspflichtig Arbeitende gegenüber Rentnern, Arbeitslosen und Studenten bevorzugen, die keine Beiträge zahlen und diese nicht vermindert bekämen. Auch eine Senkung der Mehrwertsteuer scheidet aus, weil dafür in der EU Grenzen festgelegt sind. Die DIW-ForscherInnen verfielen deswegen auf den Vorschlag, allen Bürgern ein gleiches Öko-Kopfgeld als Bonus zurückzuzahlen. Wer viel Energie verbraucht, bekommt mit dem Bonus nicht alles zurück und wird finanziell bestraft. Und wer wenig Energie verbraucht, kann mit dem Bonus die Haushaltskasse aufbessern.

Insgesamt würden ärmere Haushalte von der Bonusregelung leicht profitieren, erst Haushalte mit 4.000 Mark netto im Monat und höheren Einkommen müßten im Schnitt ein bißchen zuzahlen. „Das macht im Jahr 2005 bei einem Haushalt, der heute 5.000 bis 6.000 Mark verdient, im Schnitt 3,88 Mark im Monat aus“, rechnet Kohlhaas vor.

Kohlhaas und Praetorius legen genau wie Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode Wert auf die Feststellung, daß mit der Steuerreform nicht alle ökologischen Unbillen der Welt gelöst werden können. Dort, wo der Markt nicht richtig funktioniert, helfen die Steuern auch nicht richtig. Die Ökosteuer sei daher notwendig, aber nicht hinreichend für vernünftige Umweltpolitik, bilanziert Bode.

Probleme gibt es bei den Stromkonzernen. Sie vereinbaren als Monopolisten ihre kostendeckenden Preise mit den Behörden und haben auch mit Energiesteuern wenig Anreiz, den Strom effizienter zu erzeugen.

Ein ähnliches Problem gibt es bei der Modernisierung von Mietshäusern. Der Mieter einer zugigen Dachwohnung wird mit hohen Heizkosten im Winter und einer saftigen Stromrechnung für den Ventilator im Sommer konfrontiert. Sein Vermieter hat aber kein wirtschaftliches Interesse daran, eine vernünftige Dämmung zu installieren, weil er das Geld für die Heizkosten ja so oder so vom Mieter zurückerhält.

Trotz dieser Probleme waren Greenpeace und die WissenschaftlerInnen gestern überzeugt, daß die Ökosteuer umweltpolitisch und wirtschaftlich vernünftig sei. Langfristig würden die positiven Auswirkungen einer solchen Ressourcenbesteuerung ohnehin kaum mehr bestritten. Wenn es gut läuft, so rechnet Kohlhaas mit 800.000 neuen Arbeitsplätzen im Jahr 2005.