Die konservativen Münchener Rebellen

■ Die Angst der CSU vor Stadtratswahl und Junger Liste

München (taz) – In den letzten Wochen erkundigten sich die Bürger Münchens öfter als gewöhnlich an Informationsständen der CSU besorgt nach der Befindlichkeit der Partei. Grund dafür sind die „Brauseköpfe“ der Jungen Liste (JL), einem Zweig von CSU und Junger Union (JU). Sie rebellieren offen gegen die Mutterpartei: auf Plakaten fragen sie die Bevölkerung, ob sie sich auch „verBLETSCHACHERt“ fühle. Gerhard Bletschacher ist Spitzenkandidat der CSU für die Stadtratswahlen am kommenden Sonntag. Darauf angesprochen, warum die CSU sich so „auf der Nase herumtanzen“ lasse, versucht er jetzt den politischen Nachwuchs zu disziplinieren. Doch die renitente JL spekuliert selbstbewußt auf einen Stimmenanteil von zehn Prozent.

Die Wahlen am Sonntag sind eine Wiederholung der Wahlen von 1990, und schuld daran ist die Junge Liste. Sie war vor vier Jahren vom Wahlausschuß als Tarnliste der CSU eingestuft und von der Stadtratswahl ausgeschlossen worden. Dagegen klagte die JL und bekam, nach ewigem Hin und Her, im Februar vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof recht. Bletschacher befürchtet nun, die CSU könne noch mehr Stimmen verlieren. 1990 hatte sie 30,1 Prozent der Stimmen und 25 (von 80) Sitzen im Stadtrat bekommen, die Mehrheit erhielt die SPD mit den Grünen: 44 Sitze. Zwar hofft Bletschacher, daß nach der Wahl eine Konstellation gegeben ist, die „eine Zusammenarbeit von SPD und CSU geradezu erzwingt“, wahrscheinlicher aber ist, daß OB Christan Ude (SPD) weiter einer rot-grünen Regierung vorstehen wird.

Das Gezänk im Lager der Konservativen wurde von Aribert Wolf (34) angezettelt, nach Lehrjahren in der JU aufgerückt zum Spitzenkandidaten der Jungen Liste. Geschickt verkauft er die JL als die bessere CSU, skandalfrei, amigo- unverdächtig, porentief rein. Während Bletschacher mit dem Parteiausschluß des Rebellen drohte, kachelte der unverdrossen weiter: Nichts lerne man in „der CSU besser als Schlammschlachten“. Eigentliches Ziel der Attacken Wolfs ist aber der Münchner CSU-Chef Peter Gauweiler, der sich vom juvenilen Paradebayern zum Gescheiterten entwickelt hat. Nach seiner Niederlage als OB-Kandidat gegen Ude trat er als bayerischer Umweltminister nach der Kanzlei- und Spelunkenaffäre zurück. Sein letzter Fauxpas: seine Auftritte mit dem österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider. Sollte es bei der Stadtratswahl mit der CSU noch weiter hinabgehen als vor vier Jahren, müsse Gauweiler „sofort weg“, hat Widerpart Wolf das Volk gerade via Münchner Bild- Zeitung wissen lassen.

Die SPD sammelt sich derweil in aller Ruhe für den großen Tag. Kürzlich hatten die ehemaligen OBs Hans-Jochen Vogel, Georg Kronawitter und der amtierende Ude zum politischen Frühschoppen ins Hofbräuhaus geladen. Sie schwelgten ein bißchen in der großen Münchner Sozi-Tradition und hakelten ein wenig gegen die schwarzen Amigos – das war es schon an Wahlkampf. Alles andere erledigen die Gegner schließlich von selbst. Holger Gertz