„Bayern bleibt Bayern, auch in Europa“

Die CSU sieht sich vor der Europawahl „definitiv über den Berg“ – trotz aller Amigos – einzig eine geringe Wahlbeteiligung macht ihr Sorgen / Reps zwischen Hoffen und Bangen  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – „Der Tiefpunkt ist überwunden“, glaubt der CSU-Vorsitzende Theo Waigel. Er meint einen „deutlichen Stimmungsumschwung“ für die von Affären gebeutelten Christlich-Sozialen im Freistaat ausgemacht zu haben. Auch CSU-Generalsekretär Erwin Huber jammert längst nicht mehr über die „Krätze“, die seine Partei nicht mehr los werde.

Im Lager der CSU-Führungsspitze ist keine Rede mehr von der Europawahl als „Schicksalswahl“ für die Partei, die in Bayern je nach Wahlbeteiligung zwischen 38 und 43 Prozent der Stimmen holen muß, um bundesweit die 5-Prozent-Hürde überspringen zu können. „50 Prozent plus x“ gibt Waigel vollmundig als Wahlziel aus, zumal auch die Angst vor den „Republikanern“ ausgestanden zu sein scheint. Innenminister Günther Beckstein freut sich bereits über die „unübersehbaren Zerfallserscheinungen“ der rechtsextremen Partei. Die CSU-Spitze vermittelt nach außen hin Siegeszuversicht angesichts neuer Umfrageergebnisse. Die signalisieren nach den blamablen 40 Prozent im Frühjahr inzwischen wieder 45 Prozent für die seit 32 Jahren im Freistaat alleinregierende Partei.

Doch die CSU-Spitze scheint ihrer Basis nicht so recht zu trauen. Eine Woche vor der Wahl flatterten den Kreis- und Ortsvereinsvorsitzenden Brandbriefe ins Haus. Waigel mahnte darin „von jedem einzelnen vollen Einsatz“ an. Die Menschen in Bayern müßten „unseren Siegeswillen hautnah erleben“. Generalsekretär Huber beklagte, daß die Wahlkampagne der CSU „noch nicht optimal“ laufe.

Die CSU-Spitze fürchtet bei der Europawahl nichts mehr als eine geringe Wahlbeteiligung, die erfahrungsgemäß zu Lasten der CSU ausgeht. Ihr Spitzenkandidat Ingo Friedrich stellt bereits allerlei Zahlenspielereien an, die seine Sicherheit, daß die „bayerischen Bürger auf die CSU auf europäischer Ebene nicht verzichten“ wollen, als Zweckoptimismus entlarven. So hofft Friedrich, daß die gleichzeitig stattfindende Kommunalwahl in München die Wahlbeteiligung im Freistaat insgesamt nach oben drückt. Immerhin säßen in der Landeshauptstadt zehn Prozent der Wähler in Bayern.

In seinen öffentlichen Auftritten versucht Friedrich sich mit populistischen Argumenten als Mann für Europa zu empfehlen. Er warnt vor der „asiatischen Mentalität“, bekennt sich zur „christlich-abendländischen Kultur“ und kämpft gegen die „Gleichmacherei“. Solche Töne kommen an bei der zunächst von den europapolitischen Auseinandersetzungen zwischen Parteichef Waigel und Ministerpräsident Edmund Stoiber verunsicherten CSU-Basis und –Wählerschaft. Stoiber garantiert inzwischen auf Wahlplakaten, daß „Bayern Bayern bleibt auch in Europa“ und versucht, den Eindruck des „Europa-Skeptikers“ bei seinem Reisemarathon durch den Freistaat abzuschwächen. Gleichzeitig läßt sich Parteichef Waigel als Baumeister von Maastricht feiern und betont das Gewicht der CSU in Bonn.

Diskussionen über mangelnde innerparteiliche Demokratie oder den CSU-Filz im Freistaat sind derzeit hintangestellt. Das akzeptiert auch Klaus Gröber, Landtagskandidat aus Berg. Gröber hatte auf vergangenen Parteitagen immer wieder vor der Selbstgefälligkeit der CSU gewarnt. Er hatte gar einen „Aufstand der Basis“ prophezeit, falls sich der Führungsstil nicht ändert.

Der Führungsstil hat sich zwar nicht geändert, Gröber will aber vor den Wahlen keinen unnötigen Dissens mehr. Auch er sieht die CSU „definitiv über den Berg“. Weitere Affären und Rücktritte schrecken ihn nicht. Die Kampagne, die CSU wäre eine „Partei von Spezis und Amigos“, habe ihre Wirkung verloren.

Auf den gleichen Effekt hofft Wolfgang Hüttl, Landesvorsitzender der „Republikaner“. Bei den letzten Europawahlen holte seine Partei in Bayern 14,6 Prozent der Stimmen und lehrte damit die CSU das Fürchten. Inzwischen werden die Reps auch im Freistaat vom Verfassungsschutz beobachtet und Unionspolitiker fordern gar ein Verbot der Partei. „Die Bürger wissen, was mit uns angestellt werden soll“, ist sich Hüttl sicher. Er nennt die Stimmungslage der Partei „relativ gut“. Helmut Schwarz, Ortsvereinsvorsitzender von Dinkelsbühl, bezeichnet die momentane Stimmung für die Reps dagegen als „haarig“. Wenn es am Sonntag für die Reps schieflaufe, „dann sieht es insgesamt schlecht aus für uns“.

Parteichef Franz Schönhuber, sonst immer für gewagte Wahlprognosen zu haben, hält sich derzeit deutlich zurück. Stattdessen fühlt er sich von „israelischen Killerkommandos“ umzingelt, die ihm angeblich nach dem Leben trachten. Dies geht aus einem Hinweis des BKA hervor, den dieses ohne weitere Bewertung und unabhängig vom Wahrheitsgehalt an das Münchener Polizeipräsidium weiterleitete. Dort wird Schönhuber nun vorsichtshalber als „gefährdete Person“ eingestuft.