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BKA-Beamter belastet Angeklagte schwer

■ Im Solinger Mordprozeß sagte wichtiger Polizeizeuge aus / Protokolldetails begründen schweren Verdacht für Tatbeteiligung / Rüde Verhörmethoden bestätigt

Düsseldorf (taz) – Im Prozeß um den Solinger Mordanschlag hat gestern der leitende Ermittler des Bundeskriminalamtes, Paul Kröschel (37), die bisherigen Schilderungen einiger Angeklagter erheblich erschüttert. Glaubt man Kröschel, dann lieferte der Angeklagte Christian R. (17) bei seiner polizeilichen Vernehmung Details über den Tathergang, die er nur während der Brandnacht von den Mitangeklagten bekommen haben kann. Zu Prozeßbeginn hatte R. ausgesagt, die drei Mitangeklagten – einschließlich des geständigen Markus Gartmann (23) – seien an der Tat nicht beteiligt gewesen. Gestern ging es im Prozeß um die polizeiliche Vernehmung am 3.6.1993.

An diesem Tag war R. von der vorübergehend präsentierten Alleintäterversion abgerückt. Zuvor hatte ihm Kröschel von dem Gartmann-Geständnis berichtet und ihm die Namen der drei anderen Beschuldigten vorgehalten. Daraufhin schilderte R. sein Zusammentreffen mit den drei Jugendlichen und teilte folgende Details laut Polizeiprotokoll mit: „Unterwegs haben sie erzählt, daß es auf einem Polterabend Ärger gab. B. soll von einem Türken einen auf die Nase bekommen haben.“

Laut Kröschel hat R. das von sich aus „so gesagt“. Ein entsprechender Vorhalt, aus dem R. Informationen über die Verletzung von B. habe gewinnen können, sei „nicht gemacht“ worden. Auch nach dem Hinweis des Gerichtsvorsitzenden Wolfgang Steffen, „sie wissen, daß das entscheidende Bedeutung hat“, blieb Kröschel bei seinem Nein. Die ebenfalls an der Vernehmung von R. beteiligte BKA-Beamtin Jutta Schnell hatte vor zwei Wochen im Prozeß noch erklärt, sie könne einen solchen Vorhalt nicht ausschließen. Ihr Vorgesetzter Kröschel legte sich gestern dagegen eindeutig fest. Zum Zeitpunkt der Reher-Aussage habe er selbst diese Details aus dem Gartmann-Geständnis seiner Erinnerung nach noch gar nicht gekannt.

Während seiner weiteren Vernehmung bestätigte Kröschel, daß der jegliche Tatbeteiligung bestreitende Angeklagte Christian B. während der Polizeiverhöre massiv unter Druck gesetzt worden ist. Wenn er mangels Beweise freigelassen werden müsse, so hatte B. die Polizeidrohungen vor Gericht wiedergegeben, „dann würden sie mich zwei Tage später, von Türken totgeschlagen, aus der Gosse fischen“. Außerdem habe man damit gedroht, ihn in eine Zelle „zu den schwulen Türken, die dir den weißen Arsch versilbern werden“, zu stecken und immer geschrien: „Du bist tot, du bist tot.“ Kröschel räumte gestern ein, daß ihm „ein Kollege“ bestätigt habe, daß bei der Vernehmung von B., an der er selbst nicht beteiligt gewesen sei, „Äußerungen in der Art gefallen sind“.

Walter Jakobs

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