■ Soundcheck: Kante / Waldorf & Statler / 24-7 Spyz / Son Bakan / Dub Syndicate
Gehört: Kante und Waldorf & Statler. Staksig und verwunderlich klang die Kante im MarX. Zu viert bildeten die Musiker ein skeptisches Generatiönchen, das sich in Unabhängigkeit durch die 90er bewegt. Ihr Auftritt zeigte, daß Stücke nicht immer unbedingt unter dem Druck von Produktionsbedingungen entstehen. Eher unter der Freiheit, zu lassen, was man ohnehin nicht möchte, jazz-rockten und pop-coreten Kante das Haus. Die Texte schmiegten Assoziationen aneinander, die Vertonung umrahmte den einen Satz: Wie man sich das Recht erkämpft, nicht zu mögen, was zu tun man sich länger bemüht hat. Schöne, tolle Musik. Die schrobigen Waldorf & Statler ließen im Anschluß offen, ob sie sich für Hirn-Terroristen halten, ob sie am liebsten Körperfresser-Innerlichkeits-Lyrik rezitieren oder einfach nur Musik aus allen Schubladen heraus spielen möchten.
Kristof Schreuf
Gehört: 24-7 Spyz. Die vier aus der Hardcore-Szene von New Yorks Lower Eastside Crew stammenden Afroamerikaner lieferten rein musikalisch gesehen das, was zu erwarten war: schmissigen Funkmetal-Crossover mit fettem Groove und hohem Arschwackelfaktor, der im Gegensatz zu gehypten Industriemutanten wie Clawfinger kaum Langweile aufkommen ließ. Aber, aber: Wer auf der Bühne arme Rollifahrer dermaßen im Kreis rotieren läßt, daß diesen Angst und Bange wird, und noch dazu Mädchen auf die Bretter schleppt und mit festem Griff in deren Haare zum nichtgewollten Kuß zwingt, und bei einer anderen, den Hintern huckepack hängend, dem Kumpel hinstreckt, damit dieser sein Gesicht daran reibe, der scheint nicht nur etwas über die Stränge zu schlagen, sondern veranlaßt den Rezensenten dazu, mal wieder den Kübel mit dem Sexismusvorwurf aus der Kiste zu kramen, um ihn feierlich über die sonnenbebrillten Köpfe der ach so wilden Musiker zu ergießen. Florian Sievers
Heute abend: Son Bakan. Typische Zeichen einer multikulturellen Gesellschaft? Durchaus. Denn wie sollte mensch sich anders den Fall von Son Bakan erklären: Eine bunte Formation aus der Dominikanischen Republik, Chile, Columbien, Türkei, Rußland und Deutschland bringt tropische Musik aus der Karibik in die neue Heimat, die verregnete Elb-Metropole. Den Besuchern der einschlägigen Klubs, in denen karibische Musik die Sonnenhungrigen in träumerische und verträumte Welten entführt, ist die Formation Son Bakan schon längst ein Begriff. Ein Geheimtip sozusagen. Für das Hamburger Label WeltWunder-Records nahm jetzt die elfköpfige Combo ihre erste Platte auf. Die Musik von Salsa Rica scheint dem musikalischen Buch der tropischen Musik entsprungen zu sein. Alle Zutaten karibischer Musik sind in der tänzerisch-explosiven Mischung von Son Bakan enthalten. Mit einer vielversprechenden Fiesta stellen sie heute offiziell ihre CD vor.
Nikos Theodorakopulos
Café Schöne Aussichten, 21 Uhr
Heute abend: Dub Syndicate. Was beim Dub so alles zusammenkommt: Die Vermischung weißer und schwarzer Musikkultur, die Entwicklung musikalischer Formen jenseits traditioneller Song- und Kompositionsstrukturen, die Verbindung archaischer Rhythmik- und Klangsegmente mit hochmodernem Hi-Tech-Equipment und schließlich die Befriedung einer erstklassig antirassistischen, spirituellen, rundum pc-gemäßen und im besten Sinne konservativen Ideologie mit einem höchst progressiven Forschungsdrang. In diesem Rahmen ist die Vorzeigeband des Dub-Veteranen-Labels On-U eine Mainstream-Pop-Version: Bei Dub-Syndicate massieren schwer pumpende Bässe die tanzenden Körper von innen heraus, hymnenhafte Refrains erfreuen die Mitsingwilligen und irgend jemand auf der Bühne lädt immer zum Mitklatschen, -winken oder -tanzen ein. Jahres-Konzert-Highlight 1993, 94 und 95, intelligentes Musikopium für haschischrauchende Massen.
Peter Lau
Markthalle, 21 Uhr
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