: Quote als Knute
■ Konzentrationskontrolle künftig per Einschaltquote? / Rau will Medienrat
Es lebe die Quote. Schon heute entscheidet sie über die Werbeeinnahmen und damit – siehe Vox – über Sein oder Nichtsein jedes privaten Senders. Jetzt soll sie, geht es nach der CDU/CSU, auch noch bei der Konzentrationskontrolle als Meßlatte dienen. Ein Medienkonzern dürfte dann nur noch so lange Lizenzen sammeln, bis alle seine Sender zusammen 20, 25 oder 30 Prozent Marktanteil haben.
Die neue Idee zur Begrenzung von Medienmacht scheint manchen das Ei des Kolumbus, nachdem sich die derzeitige Regel des Rundfunkstaatsvertrages als Papiertiger herausgestellt hat. Danach muß jeder Privatsender einer „Veranstaltergemeinschaft“ gehören. Kein Konzern darf bei mehr als einem Vollprogramm Haupteigentümer sein.
Doch alle Versuche der letzten Jahre, die geschickt verflochtene Senderfamilie von Kirch und Springer (Sat.1, Kabelkanal, Premiere, DSF und Pro 7) mit Hilfe der Landesmedienanstalten zu durchleuchten, sind gescheitert. Lizenzgeber und damit auch Kontrolleur ist nämlich jeweils nur die Landesmedienanstalt eines einzigen Bundeslandes. Sie macht im Gleichschritt mit der Landesregierung lieber Standortpolitik, als mit antimonopolistischer Strenge Investoren zu vergrämen. Schließlich geht es um Arbeitsplätze in einer der wenigen Wachstumsbranchen, auf die immer noch Verlaß ist.
So sorgt Rheinland-Pfalz dafür, daß der Mainzer Sender Sat.1 keine größeren Probleme bekommt. Schleswig-Holstein kommt bei Pro 7 bereitwillig zu dem Schluß, daß Kirch-Sohn Thomas bei Pro 7 nicht mit Geld oder Bürgschaften vom allmächtigen Vater arbeitet (taz vom 4.6.). Auch die Medienanstalt von Nordrhein- Westfalen achtet lieber nicht so genau auf den Buchstaben des Gesetzes, seit sie rechtfertigen muß, warum Vox nicht abgeschaltet wird. Der Kölner Sender hat schließlich seit über zwei Monaten keine Gesellschafter mehr, eigentlich müßte die Lizenz neu ausgeschrieben werden. Hinter den Kulissen hat sich die SPD dagegen längst entschieden: aus Vox soll RTL 3 werden. Konzept gleichgültig, Hauptsache, es gibt Mitgesellschafter für Bertelsmann.
Mittlerweile nämlich haben alle Beteiligten gemerkt, daß es in Deutschland nur zwei Konzerne – Kirch und Bertelsmann – gibt, die Anlaufverluste von bis zu einer Milliarde für Vollprogramme decken können oder wollen. Das Vox- Desaster – den Verlag der Süddeutschen Zeitung wird es über hundert Millionen kosten – ermutigt andere mittelgroße Verlage nicht gerade, ins TV-Geschäft einzusteigen. Gegen das konservative Imperium des Filmhändlers Kirch kommen, so meint die SPD nicht ganz zu Unrecht, nur die Bertelsmänner an, der Welt zweitgrößter Medienkonzern.
Doch tatsächlich sind alle neuen Gedankenspiele für eine wirksame Konzentrationskontrolle halbherzig und von vornherein zum Scheitern verurteilt. Allen voran das oben beschriebene „Marktanteilsmodell“. Selbst Wolf-Dieter Ring, Direktor der bayerischen Landesmedienanstalt, wußte Anfang der Woche auf dem Kölner Medienforum nicht zu sagen, wie es wirklich funktionieren soll. Als Obergrenze könne man „über 20, 25 oder 30 Prozent“ diskutieren. Hält ein Konzern 50 Prozent eines Senders, wird ihm die Quote zur Hälfte angerechnet.
Was aber, wenn ein Sender Erfolg hat und seine Senderfamilie über den erlaubten Marktanteil hebt? Dann, so Ring wenig konkret, brauche es eben Regeln, „die nicht eine Entflechtung bei geringer Schwankung fordern“. Norbert Schneider, sein Kontrolleurskollege aus NRW, legte nach: Das Modell verlange ja ohnehin eine Art „Bestrafung für Erfolg“. Sprich: Konservative Regierungen würden schon dafür sorgen, daß auch hier die Leistungsträger nicht behindert werden.
Die CDU/CSU sieht ohnehin kein Problem für die Meinungsvielfalt. Der medienpolitische Sprecher der CSU, Klaus Kopka, war in Köln jedenfalls von keinen Selbstzweifeln geplagt: „Wir haben die Vielfaltsicherung bei den Programmen erreicht. Der deutsche Fernsehzuschauer ist der mündigste der Welt.“ Na denn.
Tatsächlich mogelt sich das neue Modell um des Pudels Kern wieder mal herum: Denn wer stellt wie fest, wem ein Sender eigentlich gehört? Werden die Anteile von Kirch und Springer addiert oder nicht? Kann Bertelsmann-Eigentümer Reinhard Mohn RTL 2 seiner Frau übertragen, und ist der Sender dann genauso unabhängig wie Pro 7 von der Kirch-Gruppe? In Köln, beim jährlich größten Medienforum der Republik, wußte keiner Antworten auf diese Fragen. NRW-Regierungschef Johannes Rau wischte denn auch in seiner Eröffnungsansprache des Medienforums das Modell der Kontrolle per Einschaltquote gleich beiseite (übrigens entgegen dem Votum des SPD-Medienexperten Peter Glotz) und schlug statt dessen ein neues Gremium vor: einen bundesweiten „Medienrat“, der für Zulassung und Kontrolle der Privatsender zuständig sein soll. Die Idee lehnt sich offenbar an das sogenannte Mahrenholz-Gutachten für Richard von Weizsäcker an (taz vom 27.5.). Alternativ kann er sich auch einen Länderausschuß vorstellen, „in den jede Landesmedienanstalt ein Mitglied beruft“.
Nicht beantwortet hat Rau die Frage, wie dort besser kontrolliert werden soll als bisher, wo doch jetzt schon die gleichen Landesmedienanstalten ihren Streit in regelmäßigen Abständen vor den Oberverwaltungsgerichten in München, Münster und Berlin schlichten lassen. Auch Raus Vorschlag einer „Lex Kirch“ ist gegenüber den Unionsländern natürlich nicht durchsetzbar: Danach dürfte „ein Programmhändler, der einen bestimmten Teil der Kaufprogramme eines Senders zuliefert (Kirch mit seinen Filmpaketen, d. Red.), an diesem Sender nicht gesellschaftsrechtlich beteiligt sein“.
Wirklich eilig scheint es dem Ministerpräsidenten mit seinem Vorstoß ohnehin nicht zu sein. Erst „im Laufe des kommenden Jahres“, so Rau, sollten die Länder darangehen, neue Regelungen zu verabreden. Im Klartext: Rien ne va plus bis zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai 1995. Michael Rediske
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