■ Steuern, Vorschriften und gewisse Ausnahmen
: Gründen wir einen Verein

Steuervorschriften, so glaubt der gemeine Bundesbürgerverstand, werden unabhängig von Einzelinteressen von Firmen, Verbänden und Personen gemacht. Na klar, es gibt da gewisse Einflüsse von Arbeitgebern und Gewerkschaften, die darum ringen, daß a) die Besserverdienenden oder b) die Schlechterverdienenden möglichst wenig abdrücken müssen. Ich und du aber können uns einen Gang zum Bundesfinanzminister sparen, auch wenn die Einkommensteuererklärung noch so tiefe Depressionen auslöst. Wo bliebe da auch der Gleichheitsgrundsatz?

Falsch gedacht! Die von der Bundesregierung geplante Sondervorschrift für eine Kohl-Sponsorgruppe zeigt, daß man nur den richtigen Verein mit den richtigen Mitgliedern und den richtigen Zielsetzungen gründen muß, und schon lassen sich Steuerzahlungen auf wundersame Weise verringern. Wer so hehre Ziele verfolgt wie „das Gefühl für Optimismus“ im Volke, dem kann man unmöglich zumuten, normale Steuersätze zu bezahlen, war wohl der Gedanke der Regierung. Wo bleibt da die Steuermoral? Ist das noch Gerechtigkeit?

Na klar, seufzen wir verzückt. Wenn ich demnächst zu Kalle nach Erfurt fahre, geht die Benzinrechnung subito an Herrn Waigel, von wegen „Förderung des Zusammenwachsens beider Teile Deutschlands“. Wenn du mich beim Bier fragst, was ich von Kohls Vereinigungspolitik halte, fällt das unter „Forschung zur Ermittlung von Meinungen“, und die Kneipenrechnung schicken wir umgehend nach Bonn. „Das Land sind wir“, lautet einer der herausragenden Sinnsprüche des besagten Vereins namens „Wir in Deutschland“. Jawoll! Wir! Und wir wollen selbstverständlich nie mehr Steuern zahlen, schon gar nicht an Theo.

Hurra, Tusch, Abgang. Zurück zur Eingangsfrage. Natürlich irrt der gemeine Bundesbürger, wenn er glaubt, Steuerrichtlinien und deren Schlupflöcher würden unabhängig von gewissen Herrschaften geschaffen. Tatsächlich ist zu befürchten, daß hier durch eine Verkettung unglücklicher Umstände etwas ans Licht geraten ist, was durchaus üblichen Gepflogenheiten entspricht. Diese bösartige Unterstellung beweisen Zehntausende cleverer Steuerberater (nichts gegen diesen Berufsstand!) jeden Tag. Die Schlupflöcher sind in Fachkreisen wohlbekannt, doch sie werden nicht geschlossen. Schade eigentlich nur, daß wir nicht zu den Fachkreisen gehören. Klaus Hillenbrand