■ Appell an die deutschen Landwirte
: Bauern, outet Euch!

10.000 möglicherweise gefährliche Rindviecher grasen ganz friedlich auf Deutschlands Weiden. Häufig genug wissen nur ihre Besitzer um die Gefahr. Ein gutes Szenario für einen Horrorfilm. Doch die Szene ist leider ganz real. Die Vierbeiner stammen samt und sonders aus Großbritannien, wo seit Jahren der sogenannte Rinderwahnsinn (BSE) grassiert. Knapp 130.000 Tiere sind an der Seuche schon krepiert. Die Krankheit ist offenbar auf andere Säugetiere übertragbar, potentiell sogar auf den Menschen.

Die Hälfte der möglicherweise gefährlichen britischen Rindviecher läßt sich leicht lokalisieren. Sie sind in den Büchern der Zuchtverbände registriert, und die haben versprochen, mit den Behörden zu kooperieren. Aber wie findet man den Rest?

Der Bauernverband fordert die Besitzer der potentiell gefährlichen Viecher auf, sich zu melden. Der Gesetzgeber beschließt eine vollständige Überwachung der Vierbeiner, ohne genau zu wissen, wie er sie findet. Doch gleichzeitig wissen Verbandsstrategen und Ministerialbeamte, daß viele der Bauern Scheu vor einem solchen Offenbarungseid haben.

Die Erfahrung der Landwirte ist ja auch nicht ermutigend: In den vergangenen Jahren folgte nach der Erfassung von Tieren häufig genug Quarantäne, Tötung und Verbrennung. Und nach den Tieren starb dann der Betrieb, und das, obwohl der einzelne Bauer an seinen Tieren nichts feststellen konnte.

Die Tiere wird man letztlich als gefährlich brandmarken müssen, auch wenn man ihnen nichts ansieht. Daran führt wohl kein Weg vorbei. Aber man muß den Bauern die Angst um ihre Existenz nehmen. Im wesentlichen mit Geld. Wenn die Seuche wirklich so gefährlich ist, muß sich jeder Landwirt ohne Verlust von seiner britischen Herde trennen können. Selbst wenn der Staat für alle 10.000 britischen Rindviecher aufkommen müßte, wären das maximal 30 Millionen Mark. Angesichts der Höhe der jährlichen Subventionen für den EU-Agrarmarkt und der Größe der Gefahr ist das nur ein Klacks.

Wer sich als Besitzer outet, die Tiere aber weiter behalten will, muß auch diese Chance bekommen, allerdings gehören die Viecher dann unter Quarantäne, und der Besitzer trägt das Risiko. In die Metzgereien darf das Fleisch dieser Tiere vorläufig nicht.

Am wichtigsten aber wird der Druck der Nachbarn und Kollegen: Jeder Landwirt muß ein elementares Interesse daran haben, seinen Nachbarn zu rückhaltloser Ehrlichkeit zu bewegen. Ist das Vertrauen in ihre Produkte und den ehrlichen Umgang mit dem Verbraucher erst einmal dahin, schadet es der ganzen Branche mehr als das Keulen und Verbrennen aller britischen Rindviecher. Selbst wenn 9.997 von den 10.000 gesund sein sollten. Hermann-Josef Tenhagen