Weiblicher Altruismus ade!

■ Hebammen protestierten gegen Leichtlohntarife

Berlin (taz) – Klein ist die Schar, die sich unter der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz versammelt hat. Knapp 30 Frauen, ein Papp- Plakat und ein Tapetentisch mit Transparent: „Hebammenstreik“. Viel Geld für die Streikaktion können die freiberuflichen Hebammen nicht ausgeben: Sie haben nur ihren kleinen Verband im Rücken, und so richtig streiken können sie natürlich auch nicht – Geburten werden selbstverständlich betreut. „Da haben es die Postler besser“, sagt Christa Beckmann, „die sind heute in allen Nachrichten“. Sie ist seit 30 Jahren Hebamme, 20 davon hat sie im Krankenhaus gearbeitet, bevor sie sich selbständig machte: „Während der ganzen Krankenhauszeit habe ich mir gedacht, daß Geburten in der Klinik keine gute Lösung sind. Dort wird viel Pathologie produziert.“ Ihre Kollegin Marlies Funke, die seit fünf Jahren freiberuflich arbeitet, sieht dies genauso. Ärzte würden viel eher Medikamente verschreiben und die Frauen häufig schon zu Risikopatientinnen erklären, wenn diese nur mal mit erhöhtem Blutdruck kämen. Das würde die Frauen nicht nur verunsichern, sondern auch die Kosten in die Höhe treiben.

Hebammen dagegen setzen neben der medizinischen Untersuchung vor allem auf Gespräche. „Gerade bei Risikopatientinnen ist es wichtig, daß sie über ihre Gefühle sprechen können und daß wir ihnen die Angst nehmen“, erklärt Marlies Funke. Gespräche gehören ebenso zur Vorsorgeuntersuchung wie die Lage- und Gewichtsbestimmung durch Abtasten, Blutdruckmessen, eine Urinuntersuchung und die Feststellung des Gewichts der werdenden Mutter. Zusammen kann das alles eine gute Stunde dauern. Honoriert wird die Leistung mit 12 Mark. Viel zuwenig finden die Hebammen und verweisen auf ihre Verantwortung. Schließlich seien sie durch ihre Ausbildung auch berechtigt, normale Geburten selbständig zu leiten, während die Ärzte verpflichtet seien, eine Hebamme hinzuzuziehen. „Nur bei unseren Honoraren macht sich diese Kompetenz leider nicht bemerkbar“, resümiert Christa Beckmann. Am meisten ist sie darüber verärgert, daß diese während der letzten zehn Jahre nicht erhöht worden sind. Die Angebote, die jetzt aus dem Gesundheitsministerium kommen, empfindet sie als völlig unzureichend. „Es wird Zeit“, sagt sie, „daß die Öffentlichkeit von uns und unserer Situation erfährt.“ sos