Steuerfreiheit für den Kanzler-Wahlverein

■ Rabatt für den Verein „Wir für Deutschland“ auf Kohls Vorschlag

Berlin (taz) – Lobpreise die deutsche Einheit und sahne ab. Da saßen im März einflußreiche und gutbetuchte Männer und Frauen der Republik zusammen und beschlossen, eine Werbekampagne des nationalen Optimismus zu kreieren. „Wir für Deutschland“ tauften sie den Klub. Heftig gerührt zeigte sich Helmut Kohl, Bundeskanzler, ob soviel Liebe zum Vaterland und gab beim Finanzminister eine Verordnung für steuerliche Erleichterung in Auftrag. Die Verwaltungsvorschrift, mit heißer Nadel gestrickt, ist nach Informationen der Frankfurter Rundschau paßgenau auf den „Verein zur Förderung der deutschen Wiedervereinigung – Wir für Deutschland“ zugeschnitten.

Heute liegt er dem Bundesrat zur Zustimmung vor. Danach sollen künftig Spenden von der Steuer abgesetzt werden können, die erklärtermaßen der „Förderung des Zusammenwachsens beider Teile Deutschlands“ zugute kommen. Allerdings dürften die SPD-regierten Länder der steuerlichen Subvention des Kanzler- Wahlvereins einen Strich durch die Rechnung machen. Einige von ihnen, darunter das Saarland, Hessen und NRW, kündigten gestern an, die Abstimmung darüber auf den 8. Juli vertagen zu wollen.

Zum exklusiven Klub der Vaterlandsförderer zählen 45 Männer und vier Frauen, darunter Kaufhof-Chef Jens Odewald, der Unternehmensberater Willi Schalck, der sich kürzlich für ein kurzfristiges Engagement beim Springer- Konzern mit satten 2 Millionen Mark abfinden ließ, Heike Drechsler, Olympiasiegerin, und Damar Alberti, Unternehmerin aus Apolda, und auch Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden. Sie alle wollen bewußt machen, daß „Deutschland nicht so miesepetrig ist, wie es dargestellt wird“, sagt Jürg Leipziger, der die Kampagne mitbetreut. Seit etwa drei Wochen schaltet seine PR- Agentur einen TV-Spot, der zwischen aufgehender Sonne und Wiedervereinigungstaumel am Brandenburger Tor kein Klischeebild vom sauberen Deutschland ausläßt. Auf Werbewänden bekennt in lächelnder Siegerlaune Sportlerin Heike Drechsler: „Über jeden Sieg im Ausland habe ich mich nicht nur persönlich gefreut. Sondern auch für Deutschland“. Darunter prangt in fetter Schrift: „Das Land sind wir.“ Daß solche Plakate auch Beifall von rechts einbringen können, fürchtet Leipziger nicht: „Wir wollen dem Menschen klarmachen, daß Deutschland schön ist, gut ist und so ungeheurlich viele Vorteile hat.“ Er findet „es beschämend, daß sowenig für das Selbstwertgefühl der Deutschen getan wird“. Für das Marketingblatt Horizont ist die Kampagne nicht mehr als ein „peinlicher Brei aus Neuschwanstein, blauem Himmel und teutonischem Schlagergut“. Jedenfalls ist sie geschickt koordiniert; zeitgleich läuft die CDU-Wahlkampagne, mit heiler Familie und blauem Himmel.

In den nächsten Wochen werden weitere Motive aus dem Reich der Schönfärber die „Wir für Deutschland“-Republik überziehen. Insgesamt sollen 32 Motive ausgestellt werden, 16 Prominente und 16 „Normalbürger“ geben ihre Meinung zu Deutschland zum besten. „Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, Deutschland zu erleben“, will Werber Leipziger festgestellt haben. Und ihnen will er „beistehen“. roga

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