Superlative zum100.

■ Kieler Woche: Anderthalbmillionen Besucher, 4000 Segler und ein buntes Programm vom 18.-26. Juni

Verwirrung schon vor der Eröffnung durch Ministerpräsidentin Heide Simonis am 18 Juni. Unentwegt ist in den Ankündigungen für die Kieler Woche 1994 davon die Rede, daß das Segelgroßereignis und Volksfest nun zum 100. Mal veranstaltet wird. Das erste Mal daß sich Segler bei der vom damals Kaiserlichen Yachtclub organisierten Regatta trafen, war indes 1882. Des Rätsels Lösung: Die Zwangsunterbrechungen durch die beiden Weltkriege, während denen sich die Bewohner des vormaligen Reichskriegshafens mit weit unerfreulicheren Sachen auseinandersetzen mußten als eine durch TouristInnenmassen verstopfte Innenstadt oder auf der Außenförde dümpelnde Segelboote.

Stolz verweisen die Veranstalter auf die Superlative, mit denen die diesjährige Kieler Woche aufwarten kann. Zur Kieler Woche – wohl zu recht ganz gerne als größte Segelsportveranstaltung der Welt gefeiert – werden rund 4000 SeglerInnen erwartet. Zum Volksfest, einem der weltgrößten Freßstände, kommen etwa anderthalb Millionen Besucher.

Dabei herrschten noch vor ein paar Monaten bei den Organisatoren mächtig lange Gesichter vor. Die Stadt Kiel, einer der größten Sponsoren des Volksfest, hat angesichts notorisch leerer Kassen die Fianzmittel um eine Viertelmillion Mark auf 950.000 Mark gekürzt. Das ausbleibende Geld mußte also durch Sponsoren und den Ausbau des Devotionalienhandels aufgebracht werden. Ein Unterfangen, das den Kalkulationen zufolge gelang. So darf auch Kiels Oberbürgermeister Otto Kelling (SPD) weiterhin ohne Schamesröte im Gesicht von der Kieler Woche als dem „besten Werbeträger der Stadt“ fabulieren.

Ein paar Top-Events der vergangenen Jahre sind trotzdem dem Rotstift zum Opfer gefallen. So wird es auch in diesem Jahr wieder kein Musikfestival im Gaardener Volkspark geben. Statt dessen präsentieren öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanstalten auf dem internationalen Markt auf dem Rathausplatz und an der Kiellinie kulturelle Darbietungen nach ihrem Gusto wie Smokie oder aber den singenden sozialdemokratischen Studienrat Heinz-Rudolf Kunze.

Im gesellschaftlichen Mittelpunkt steht zur Jubiläums-Woche der Kongreß „Einander verstehen, miteinander Leben“. Dabei geht es um die Integration und das selbstbestimmte Leben behinderter Menschen. Diesem Thema sind auch zahlreiche Diskussionen, Vorträge, Filmvorführungen, Konzerte und Ausstellungen gewidmet. Als „logische Folge“ dieses Themenschwerpunktes sehen es die Veranstalter, daß behinderte Segler auch im Regattaprogramm berücksichtigt werden. Am 25. Juni wird der „Handi-Cup“ auf 11-Meter-Einheitsbooten vor dem Hindenburgufer ersegelt.

Auch wenn sich die Kieler Woche zeitgeistgemäß gibt, das Kieler-Woche-Gespräch in diesem Jahr „Extremistische Tendenzen in Nordeuropa und im Ostseeraum“ als Thema hat, ist es indes verwunderlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Offiziersempfänge und sonstige nationalistische Dummbesäufnisse der Studentenverbindungen Platz im offiziellen Programm gefunden haben.

kader