Sie nannten ihn Hai

■ Von Liebe und Geld: Des Fiat 500-Ersatzteilhändler Wilfried Ritz–alte Leidenschaft und wie er auf's Blechspielzeug kam

Er fährt einen Opel. Einen Opel Omega. Und schämt sich nicht. Das macht das Alter. Man kriegt ein Kind und wird vernünftig. Man fährt Opel.

Gott ja, da war einmal die Liebe. „Ich war verknallt“, sagt Siegfried Ritz. Ist lange her. Er redet gerne über die alten Zeiten. Leidenschaft! Wildes Leben! Risiko! Man geriet in Situationen, da war man angewiesen auf andere Menschen. Man traf sich mit Gleichgesinnten auf lauschigen Wiesen, für lange Wochenenden. Und keine Freundin hatte eine Chance, die diese Liebe nicht teilte. Heute ist die Freundin die Frau, die Tochter ist da – und der Opel.

Früher war er: Töpfer, Elektriker, Nachrichtentechniker, Sozialarbeiter. Heute ist er Kaufmann. Er fährt Opel und hat im Keller, fast vergessen und fahruntauglich, und seine Frau sagt immer „Verkauf ihn doch“, also verstaubt und auf Jahre „in Arbeit“ steht in seinem Keller, aber von einem ungemein verlockenden Rot: ein Fiat 500.

Der Fiat 500 ist, aber sicher!, ein Mythos, schon weil er nicht mehr gebaut wird, mithin in die preissteigernde Kategorie „Oldtimer“ aufgerückt ist. Auch Aldi-Tüten werden eines Tages zum „Mythos“, so viel ist sicher. Wie andere kleine Tiere (Käfer, Enten) zehrt des Kleinen Image von seinem Anachronismus, man kann auch sagen von der geradezu stoischen Modellpflege des Turiner Konzerns. Drei Jahrzehnte lang kriegte die Kiste zwar mal andere Namen, auch mal ein anderes Kleid – aber innen blieb alles beim Alten. Gelegentlich bohrte man etwas im Zylinder rum und sprach dann von einer stärkeren Maschine. Das Ding war billig, darum sah man ihm alle möglichen Mucken nach. Heute müssen wir schließlich die abgefeimten Designer loben, die mit dem Fiat 500 sehr präzise auf unseren Brutpflegeinstinkt zielten: Auch wenn uns die Nuckelpinne ärgert, müssen wir sie lieben. Und da sind wir wieder bei Wilfried Ritz.

Der ist nämlich Chef des Bremer Dreipersonenbetriebes „Ritz Handelsgesellschaft m.b.H.“, die verkauft Fiat 500-Ersatzteile, und jeder weiß, daß Liebe und Geld sich nie vertragen. Eine Spätfolge der sich schon 1985 bei Geschäftsgründung abzeichnenden dramatischen Entwicklung ist die Spaltung der kleinen, aber rührigen Bremer Fiat 500-Fangemeinde in zwei verfeindete Lager. Und das kam so:

Ritz stieß 1982 zum 18 PS-Club Bremen“, einer Tarnorganisation der 500er-Fans (die bekanntlich zum Teil mit 13 PS auskommen müssen). Mit einem Kompagnon übernahm er die wichtige Funktion in der Organisation, so kümmerte er sich rührig um Ersatzteilnachschub, da die Fiat-Firmanpolitk die Ersatzteilbeschaffung zusehends erschwerte. Ja, es wurden in Italien Abschlachtprämien für 500er gezahlt, wenn man sich einen neueren Fiat kaufte. Derweil schraubte der Kompagnon in einer Hinterhofgarage die Ersatzteile in die Autos.

Ritz sah und ergriff die Chance, von seiner Arbeit zu leben und machte sich selbständig. Besorgte sich Bezugsquellen in Italien, ließ Kumpels dort Teile ausbauen und mitbringen, schlug das Geld für seine Brötchen und die Miete drauf und schon war er geboren: der Vorwurf, ein „Hai“ zu sein. Der „Hai“ klebt ausdauernd an ihm, und seine Klientel wird als „Edelschrauber“ gebranntmarkt. Auf der anderen Seite der Kompagnon und das Heer der Armen, die den Polski-Fiat ausschlachten und lieber mit Kleber und Draht frickeln als dem „Hai“ Geld in den Rachen zu werfen.

Doch nun ist es an der Zeit, auf ein tatsächlich tragisches Gesetz hinzuweisen, dem die gesamte Branche der Oldtimerersatzteilhändler unterworfen ist: Die Zulassungszahlen gehen kontinuierlich zurück, damit der Markt verknappt wird, und so die Preise oldtimerüblich ansteigen. Damit dezimiert sich aber die Kundschaft, reduziert sich zum Schluß auf Restaurateure, und die meisten Ersatzteilhändler werden überflüssig. Nicht so Wilfried Ritz!

Wilfried Ritz, dessen Teilepreise natürlich branchenüblich anziehen, aber die Zulassungsverluste (in den letzten vier Jahren 41 Prozent) natürlich nicht auffangen, macht jetzt in Blechspielzeug. Das hat auch mit Nostalgie zu tun, sogar mit Blech. Ritz stellte schon erfolgreich auf dem Bremer Kajenmarkt und der Haushaltsmesse Hafa aus. Niemand hat mehr was gegen Opel. Erst recht nicht gegen Omega. Burkhard Straßmann