Dummschwatz in Sekunden um die Welt

Über Internet können Wissenschaftler in kürzester Zeit Informationen per Computer austauschen / Auch Privatnutzer erhalten schnellstens Informationen / Kaffeeklatsch am Bildschirm  ■ Von Christian Arns

Datenübertragung ist längst kein Privileg mehr. Über das Internet, ein weltweites Computernetzwerk, können auch private Nutzer in wenigen Sekunden Briefe nach Afrika schicken, in den Katalogen amerikanischer Bibliotheken herumstöbern oder sich an Gesprächsrunden mit Teilnehmern aus allen Ländern beteiligen. Vor allem aber dient das Internet dem wissenschaftlichen Austausch.

Die Arbeitsplätze werden sich verändern, prognostiziert Gunther Maier, Auswirkungen der Computervernetzung würden bald spürbar „in so manchem Gebiet, das wir heute noch meilenweit von jeder Computerisierung entfernt wähnen“.

Vor allem gelte dies „für den akademischen Bereich, wo Information und Kommunikation zum täglichen Brot gehören“. Der Mitarbeiter am Institut für Raumplanung und Regionalentwicklung an der Wirtschaftsuniversität Wien hat selbst zunächst Informationen über das Internet abgerufen, dann anderen Texte zur Verfügung gestellt und aus den Erfahrungen mit dem wissenschaftlichen Austausch ein Einführungsbuch gemacht: „In 8 Sekunden um die Welt“.

In diesem Buch erläutert er neben der Geschichte auch die grundlegende Funktionsweise des weltweiten Netzes. Entscheidend für Internet ist seiner Einschätzung nach, daß es für jeden offen ist, daß die Teilhabe aller Interessierten geradezu das Prinzip sei.

„Das Schöne am Internet ist, daß es offen ist, daß wirklich jeder rankommt“, lobt Dorothea Weinrebe, die Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität studiert: „Ich finde, daß das etwas Demokratisches ist.“ Über ein Modem, das Computerdaten in Impulse moduliert, die per Telefonleitung übertragen werden können, nutzt sie mit ihrem Personal Computer die weltweit angebotenen Informationen.

Für eine Hausarbeit zu einem Thema, zu dem es kaum Literatur gibt, konnte sie zum Beispiel Beiträge lesen, die vor allem in Amerika und Neuseeland eingespeist worden waren. „Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse werden mitgeteilt und diskutiert“, erläutert sie: „Man kann sich das wie einen Ordner mit vielen öffentlichen Briefen vorstellen, die jeder lesen darf.“ Auch sie hätte einen solchen Brief schreiben und hinterlassen können, wenn sie bei ihrer Arbeit zu neuen oder abweichenden Ergebnissen gelangt wäre.

Newsgroups heißen die thematisch geordneten Diskussionsrunden, in denen manchmal mehrere tausend Artikel hinterlegt sind. 3.488 Beiträge sind allein zu Bill Clinton abrufbar, immerhin 1.520 zur Kombination von Politik und Homosexualität.

Das Niveau ist dabei höchst unterschiedlich: So ist ein hochspezialisierter Diskurs zahlreicher Biologen über die Farbe von Blattgrün im Netz; hingegen teilt ein Nutzer namens Bunsenbrenner in der Newsgroup „drunken bastards“ mit: „I myself prefer pilsener beer alldaylong. i'm quite seldom into schnaps.“

Bereits Sekunden später war diese Nachricht in Washington oder Peking abrufbar – falls sie irgendwen interessiert haben sollte.

Neben Dummschwatz werden auch zahlreiche kommerzielle oder kostenlose Informationsdienste angeboten, etwa zu Filmen oder Musik. Voraussichtlich in einem knappen Jahr werden auch taz-Mitarbeiter mit ihnen recherchieren können, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Bereits jetzt werden die fertigen Seiten via Internet zu den Druckereien in Frankfurt und Pinneberg übermittelt, erklärt „taz-Hardware- Sklave“ Burkhard Kohl: „Früher wurden die Druckvorlagen mit dem Flugzeug transportiert. Jetzt sparen wir Geld und eine Menge Ärger.“

Kosten entstehen vor allem für die Leitungsnutzung: Ob das normale Telefonkabel genutzt wird oder eine wesentlich leistungsstärkere ISDN-Leitung ist für das Funktionieren des Netzes egal. Internet sucht sich stets die schnellstmögliche Verbindung. „Das bekommen Nutzer überhaupt nicht mit“, erklärt Studentin Dorothea Weinrebe.

Das Tempo der Datenübertragung wird deutlich beim sogenannten Chatten: Dabei kommunizieren verschiedene Teilnehmer gleichzeitig miteinander, schreiben sich wissenschaftliche Notizen oder fragen nach, wie das Wetter beim „Chatter“ in Kenia ist.

Entwickelt wurde das Prinzip von Universitäten im Auftrag des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. „Die Frage war, wie man viele Rechner sinnvoll Daten austauschen lassen kann“, erläutert Norbert Thies, einer der EDV-Spezialisten der taz. Erst später hätten sich Firmen angeschlossen.

Der entscheidende Vorteil sei, daß das Protokoll, also die Regeln, nach denen die Rechner ihre Informationen austauschen, unabhängig vom Hersteller sei. „Für alle wichtigen Betriebssysteme gibt es Software, die diese Regeln in die eigenen übersetzen und umgekehrt“, erläutert Gunther Maier. Die Verbindung all jener Computer, die über dieses Protokoll miteinander kommunizieren, bildeten das Internet, so Maier: „Obwohl einzelne Organisationen bestimmte Aufgaben für das gesamte Internet erfüllen, gibt es doch keine Organisation, die für das Internet zuständig und verantwortlich ist.“ Und Dorothea Weinrebe bringt es auf den Punkt: „Internet gehört niemandem.“

Keiner kann daher kontrollieren, was übermittelt wird. Diesen Vorteil haben durchaus auch rechtsradikale Gruppierungen entdeckt, die sich mittlerweile via Internet Informationen zukommen lassen. Dabei stört sie wenig, daß englische Skinheads daher Gegenartikel ablegen, etwa: „Real Skins Aint Nazis“. Und ein Internet-Nutzer macht seiner Verärgerung weltweit abrufbar Luft: „Nazi punks fuck off!“