■ Das Portrait: Joao Havelange
„Bei einem anderen Menschen würde ich denken, er sei tatterig geworden“, lästerte Anfang des Jahres Brasiliens Fußball-Ikone Pelé über den FIFA-Präsidenten Joao Havelange. Nach eigener Einschätzung ist der 78jährige jedoch pudelgesund und kandidiert nächste Woche beim 49. FIFA-Kongreß in Chicago erneut für das Amt, in das er erstmals 1974 gewählt wurde. Seine Bestätigung gilt als sicher, denn es gibt keinen Gegenkandidaten. Der geschäftstüchtige Dr. Jean Marie Faustin Godefroid Havelange beherrscht den Welt- Fußballverband ebenso eisern wie sein haßgeliebtes Pendant Juan Antonio Samaranch das IOC, obwohl nicht nur Pelé an der Allmacht des obersten Fußballfunktionärs kratzt.
Zum Eklat kam es, als Pelé den als unfähig geltenden Präsidenten des brasilianischen Fußballverbandes, Ricardo Texeira, ganz zufällig Schwiegersohn von Havelange, der Korruption bezichtigte. Der schwer zur Selbstherrlichkeit neigende und leicht beleidigte Havelange lud Pelé daraufhin von der Auslosung zur WM 1994 aus. Diesen Affront gegen die Galionsfigur des World Cups in den USA nutzten die europäischen Fußballfunktionäre, denen Havelange seit langem ein Dorn im Auge ist, zum Aufstand. Zudem stieß Havelange die Europäer vor den Kopf, als er behauptete, die Verbände aller fünf Kontinente hätten ihn zur erneuten Kandidatur aufgefordert, er die UEFA aber gar nicht gefragt hatte.
Die Wiederwahl des FIFA- Paten ist sicher Foto: Reuter
Die Aufstellung eines Gegenkandidaten schien wahrscheinlich, während Havelange ankündigte, er werde bis zum Ziel weitergehen, „selbst wenn ich nur eine einzige Stimme bekomme“. Doch die Revolte fiel schnell in sich zusammen. Niemand war bereit, den Kampf mit dem Giganten zu wagen, der vor allem die Dritte Welt hinter sich weiß. Mit den Stimmen der armen Länder war er 1974 an die Macht gekommen, hatte ihnen Trainingsprogramme vermittelt, sie gefördert, indem er die Zahl der WM-Teilnehmer auf 24, ab 1998 auf 32 erhöhte, und durch Erschließung neuer Märkte wie USA und Japan sowie extensive Vermarktung ihre Finanzen aufgebessert. Weder seine offene Sympathie für die argentinische Militärjunta noch Vorwürfe der Selbstbereicherung konnten Havelanges Position erschüttern. Und auch Pelé muß zähneknirschend hinnehmen, daß der „Tattergreis“ aus Rio de Janeiro mindestens weitere vier Jahre über den Weltfußball herrschen wird. Matti Lieske
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