Kunstschrott für die Kirchen

■ Aus Liebe zur Hütte: Kirche, Klöckner und Kunst kamen sich beim „Stahlsymposium“ näher

„Die Betschwestern sollen ruhig aufheulen“, sagt Reinhard Pfeiffer und grinst ein bißchen diabolisch. Sein stählerner Engel schweigt und leidet. Die monströse Schrottskulptur prangt seit gestern im Chorraum der Phillipuskirche in Gröpelingen, gleich neben dem brav geschnitzten Holzkreuz des Heilands. Aber der Kirchenvorstand wollte es ja unbedingt so. Kirchenkunst aus Altmetall, in Klöckners hohen Hallen geschmiedet. Eine Woche lang schafften fünf Künstlerinnen und Künstler im alten Warmwalzwerk, auf Einladung der evangelischen Gemeinden des Bremer Westens: Ein Nachhall des gemeinsamen Kampfes um die Hütte, der sich nun auch künstlerisch manifestieren sollte.

„Ich wollte ein Lebenszeichen für die Hütte, dafür, daß sie überlebt hat“, sagt Jürgen Seipel. Als Mitarbeiter des „kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt“ hat er das Treffen zwischen Kirche, Kunst und Klöckner initiiert. Auch, um „eine andere Art von Solidarität“ seitens der Kirchen zu signalisieren. Den gemeinsamen Kundgebungen auf dem Domshof und auf dem Gröpelinger Marktplatz von 1993 sollte etwas von bleibendem Erinnerungswert folgen: „Mahnmale, Hoffnungszeichen“, wie sein Kollege Peter Bick von der Gemeinde Gröpelingen sagt.

Wie wundersam die Zeichen am Ende des Symposiums nun aussehen, konnten die fünf Gemeinden natürlich nicht ahnen. Reinhard Pfeiffer, Bildhauer und gelernter Stahlschlosser aus dem Berliner Osten, lobt die Risikofreude der Kirche, aber: „Jetzt müssen sie eben fressen, was wir liefern.“ Und das ist jede Menge Schrott. Gleich am ersten Tag haben sich die fünf Kunstschmiede aufgemacht, um auf dem Werksgelände und umzu ausgedientes, frei herumstreundendes Material aufzusammeln. Vorzugsweise hübsch rostig. „Man muß aufpassen, man kann da ganz schnell kitschig werden“, sagt der Bremer Rolf Wienbeck.

Tatsächlich neigen die Schrauben, Federn, Bleche offenbar dazu, figürliche Gestalt anzunehmen. Was die Künstlerinnen und Künstler neu zusammenschweißten und montierten, sind vor allem groteske Metallwesen. Apokalytische Reiter auf Nähmaschinen, Gekreuzigte aus Ketten und Rädern.

Und eben Pfeiffers riesenhafter Engel. Er liebt das alte, verwitterte Material, wie auch die Atmosphäre in der alten Klöcknerhalle. „Archaisch, ursprünglich“ irgendwie; wie überhaupt ganz Klöckner „nicht so entfremdet wirkt wie so'n Hi-Tech-Betrieb“. Nächtens, wenn die Künstler am liebsten schaffen, wirkt „so ein unwirkliches Licht“ durch die Hallen, irgndwo Funkenschlag in der Dunkelheit, sägende Metallgeräusche sirren umher: Da fühlt sich Pfeiffer wohl. Aus dieser vorhöllenhaften Menagerie entspringen die dämonischen Wesen, die nunmehr die Bremer Kirchen bevölkern.

Ob hübsch oder häßlich: Schwersymbolisches ist jedenfalls beim Symposium entstanden. Wienbeck schuf, neben diversen Stahlfiguren, schließlich ein eisernes Tor für die Gemeinde am Ritterraschenplatz in Walle. „Das Material an sich birgt ja viel in sich von Arbeitswelt“, findet er. Und Pfeiffers Engel, der geschundene, der gebrochene und wieder zusammengepuzzelte: Er stellt womöglich die „Glieder einer Kette, einer Gemeinschaft“ dar, hofft der Künstler; deren Zerissenheit, aber auch „das Prinzip Hoffnung“. Das werden die Klöcknerianer dann doch ganz gern hören. Und die Betschwestern auch. tom