Waffenhandel unter den Augen des BND

■ Gegen einen Geschäftspartner Schalck-Golodkowskis wird heute der Prozeß eröffnet / Der Besitzer eines „Jagd-Sport-Ladens“ durfte jahrelang mit Billigung der Geheimdienste Waffen in die DDR verschieben

Berlin (taz) – Die nicht so ganz legalen Geschäfte des Westberliner Waffenhändlers Edgar Kutscheidt liefen prächtig. 1.993 Waffen zum Preis von mindestens 3.313.436 Mark hatte der Inhaber des „Jagd-Sport-Ladens“ im Berliner Stadtbezirk Schöneberg in den letzten neun Jahren gesetzwidrig in den Osten absetzen können. Noch profitabler aber waren die 246 Nachtsichtgeräte, die der Spender und Förderer des „Jagdclub Diana Berlin 1896 e. V.“ zwischen November 1987 und Oktober 1989 für seinen Auftraggeber auf der anderen Seite der Mauer beschaffen konnte. Der Militärkram schlug mit einen Batzen von 333.000 Dollar und 8,236 Millionen Mark zu Buche. Doch dann kam im Herbst '89 die Wende, im Juni '93 folgte im Moabiter Knast die Untersuchungshaft – heute beginnt der Prozeß vor dem Landgericht Berlin.

Edgar Kutscheidt hat bei seinen lukrativen Geschäften auf den Falschen gesetzt. Er handelte mit Alexander Schalck-Golodkowski, dem obersten Devisenbeschaffer der DDR, der für den Staatsratsvorsitzenden Honecker mal Bananen, mal Dollar und für den Stasi- Chef Mielke modernste Spionagetechnik anschaffte. Mit der Wende ging Kutscheidt nicht nur ein wertvoller Handelspartner verloren. Nach der Implosion des realen Sozialismus öffneten sich die Stasi- Archive. Manch gut gehütetes Geheimnis wurde offenbart, so auch das vom lukrativen Waffenhandel.

Vor dem Landgericht muß sich der 47jährige Kutscheidt jetzt wegen des Verdachts auf verbotenen Waffenhandel verantworten. Der Trick, mit dem er und Schalck den Schieß- und Militärkram in die DDR verschoben haben sollen, war so alt wie bewährt. Ende der 70er Jahre, vermerkt die rund 300seitige Anklageschrift, vereinbarten Schalck und Kutscheidt zur Waffenbeschaffung die Gründung einer Westfirma. Um den weiteren Weg und das Empfängerland zu verschleiern, wurden ein Unternehmen in Österreich und ein dort ansässiger Waffenhändler angeheuert. Die lieferten entweder die im Auftrag der Westfirma beschaffte oder die von Kutscheidt direkt angelieferte Ware an eine Tarnfirma namens „Petrov Handelskontor“, die ihren Sitz auf dem Ostberliner Flughafen Schönefeld hatte. Empfänger waren die Staatssicherheit, die NVA oder das Innenministerium der DDR. Abholen und Verteilen gehörte zu Schalcks Aufgaben.

So bewährt das Verfahren auch war, es war im Westen bekannt. Kutscheidt hatte nicht nur beste Beziehungen zum US-amerikanischen Geheimdienst CIC, er hielt auch Kontakte zum Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach. Die Stasi hatte das schon frühzeitig ermittelt. „Es wurde bekannt“, heißt es in einem Bericht der Arbeitsgruppe BKK (eine Abteilung der Staatssicherheit, die für die „Absicherung“ des Schalckschen Firmenimperiums zuständig war) vom Juni 1984, „daß Kutscheidt stabile Verbindungen zu gegnerischen Geheimdiensten unterhält und als Tipper, Informant oder Instrukteur Aufträge erfüllt und Personen zum Zwecke der Anwerbung zuführt.“

Akribisch haben Mielkes Mitarbeiter festgehalten, daß Kutscheidt schon im April 1972 gegenüber einem ihrer inoffiziellen Mitarbeiter über einen Freund mit Namen „Bob Planer“ vom CIC berichtet hatte. Sechs Monate später soll der Waffenhändler Mielkes Nachlaß zufolge dann zum Besten gegeben haben, „daß er vom CIC diskret zu behandelnde Hinweise bezüglich seiner Kundschaft aus Diplomatenkreisen erhält“. Für den Juni 1975 wird dann ein „Besuch von zwei Herren vom BND“ bei Herrn Kutscheidt vermerkt. Seine Beziehungen zur Pullacher Behörde soll er bereits zwei Monate zuvor seinem Gesprächspartner aus der DDR offenbart haben. Dabei habe er erzählt, „daß man weiß, daß bei ihm Diplomaten aus dem Ostblock oder deren Einkäufer verkehren“.

Kutscheidt durfte somit über Jahre unter den Augen der Geheimdienste Embargobestimmungen unterlaufen, Waffen verschieben und nebenbei noch eine hübsche Summe an der Steuer vorbei anhäufen. Ein anonymer Tip beim Zoll oder dem Finanzamt hätte gereicht, Kutscheidts Aktivitäten zu unterbinden. Doch wichtiger war offenbar, die „Quelle“ weitersprudeln zu lassen. Geheimdienstlogik. Ob diese jetzt vor dem Berliner Landgericht erörtert wird, bleibt abzuwarten. Als Zeuge vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages hat Kutscheidt die Aussage zum Komplex seiner Geheimdienstanbindung verweigert. Begründet hatte er dies mit dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren. Und dieses mündet heute in die Prozeßeröffnung. Wolfgang Gast