■ Kommentar
: SPD in der Sackgasse

Durch die Führungsetagen der Hamburger SPD waberte gestern mal wieder ein Hauch gepflegter Weltuntergangsstimmung. Aber: Konsequenzen ziehen, Politik ändern, Profil zeigen? Nein: Ausreden suchen & Aussitzen! heißt die Parole. Bloß nicht vom Wählerwillen nervös machen lassen. Kohl und Stoiber, Altmeister im Geschäft des Machterhalts, sind das große Vorbild.

Überhaupt die Wähler. Ein perfides Volk, wie Henning Voscherau weiß. Je besser und großartiger er sich als Bürgermeister fühlt, desto uneinsichtiger zeigen sich die StimmbürgerInnen. Und schon fahndet der Stadtchef verzweifelt nach den wahren Schuldigen für eine unverdiente Wahlwatsche.

Bislang ohne Erfolg: Der säkulare Einbruch der SPD in Hamburg auf ein Niveau, das selbst die Looser von der CDU selten unterschritten haben, läßt sich auch mit dem Hinweis auf niedrige Wahlbeteiligung und den Wahlgegenstand Europa-Parlament nicht wegdrücken. Es waren weder Reps noch Eurokraten – das Desaster ist eine SPD-Originalcreation aus ein bißchen Scharping und viel Voscherau.

Die Botschaft der WählerInnen ist auch für Liebhaber des politischen Ohropax unüberhörbar: Der bürgerliche Mitte-Rechts-Kurs von Scharping und Voscherau, ihr Verzicht auf eine echte politische Alternative zum Kohlregime, ihr offenkundiger Mangel an wirklichem Reformwillen und ihre Absage an Rot-Grün führen die SPD in eine gefährliche Sackgasse. Bei Wählern zwischen 18 und 45 verliert die SPD dramatisch an die Grünen (im Osten auch PDS), die Alten und Rechten wählen lieber gleich CDU oder Reps.

Zur Lösung ihrer Krise ist die SPD derzeit offenkundig nicht fähig. Kurskorrektur, Großreinemachen in den verfilzten Führungsetagen – all das wird frühestens nach den Bundestagswahl angepackt. Wenn überhaupt jemals. Florian Marten