Postboten ohne Briefe

■ Nur noch aussortierte Eilbriefe werden zugestellt zwischen Bremen und Osnabrück

Unverdrossen eilen die Bremer BriefträgerInnen auch heute von Haus zu Haus – schließlich sind die meisten BriefträgerInnen BeamtInnen und damit nicht streikberechtigt. Doch diese Dienstfertigkeit nützt den PostkundInnen auch nichts mehr: die Taschen der BriefträgerInnen enthalten nur Eilbriefe. Diesen Notdienst haben Gewerkschaft und Arbeitgeber vereinbart. Die Aufgabe eines Eilbriefs kostet sieben Mark. Alle Postämter nehmen ihn entgegen – denn im Unterschied zu den neuen Bundesländern arbeiten in den hiesigen Postämtern überwiegend BeamtInnen, die Schalter sind also offen.

Alle anderen Briefe und Postkarten aber aus dem „Quellgebiet“ Bremen, Oldenburg, Osnabrück und aus der restlichen Welt stapeln sich im Postamt 5 beim Bahnhof. Insgesamt 1 Million, sagt Pressesprecher Uwe Rosenberg von der Postdirektion. „So'n Quatsch“, sagt dagegen Harald Schütz, Vorsitzender der Postgewerkschaft Weser-Ems, und ärgert sich schon wieder, „insgesamt sind im Postamt 5 ganze 3,2 Millionen Sendungen liegengeblieben“. In der Abteilung Briefausgang nämlich, wo die Briefe nach Postleitzahlen sortiert werden, arbeiten sonst fast ausschließlich Arbeiterinnen, Streikberechtigte also, insgesamt fast 500 Personen in drei Schichten. Nun wühlen sich die wenigen BeamtInnen durch die Briefberge.

Die Stimmung zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern ist gereizt. Eigentlich war man sich am Sonntagabend ein Schrittchen entgegengekommen, doch dann erschien gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Frankfurter Rundschau eine ganzseitige Anzeige der Arbeitgeber. „Eine Anzeige? Eine Schmutzkampagne“, schimpft Gewerkschafter Schütz. In dieser Anzeige werden die PostgewerkschafterInnen als „Erpresser“ bezeichnet. Ihr Arbeitskampf sei „unfair, scheinheilig und schädlich“.

Die Bremer PostlerInnen sind jetzt so verärgert, daß sie gestern morgen gleich auch den Servicebereich der Telekom auf unbestimmte Zeit einstellten: nur noch Telefone, die der medizinischen Versorgung und der öffentlichen Sicherheit dienen, werden repariert. Und das sei noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Man könnte zum Beispiel auch noch das Postamt 1 am Domshof bestreiken, vielleicht schon heute, überlegen die GewerkschafterInnen. Dann könnten die Arbeitgeber auch nicht mehr heimlich einzelne Lkw aus dem Bereich der Postleitzahl 3 am Postamt 5 vorbeileiten.

Nicht betroffen sind übrigens ZeitungsempfängerInnen; die Zeitungen werden über den unbestreikten Frachtbereich ausgeliefert. Ganz ganz eilige PostkundInnen können den Umweg über den Kurierdienst nehmen, ein hundertprozentiger Abkömmling des Postdienstes, der aber privatwirtschaftlich betrieben und deshalb nicht bestreikt wird. Allerdings kostet der Transport innerhalb Bremens (zum Beispiel City nach Vegesack) 57,50 Mark. „Für Liebesbriefe ist das wohl eher nichts, sondern was für Geschäftskunden, die dringend eine Zeichnung befördert haben wollen“, meint Postpressesprecher Rosenberg. cis