■ Das Porträt
: Rabbi Schneerson

In diesen niederschmetternden Tagen, wo sich schon jeder Treuhand-Fuzzi „Hoffnungsträger“ schimpfen darf, mag man das Wort kaum noch verwenden. Aber der Tod von Rabbi Menachem Mendel Schneerson, der am Sonntag im Alter von 93 Jahren starb, ist für mindestens eine viertel Million Leute eine echte Katastrophe.

Nicht nur ist er vierzig Jahre lang der siebte Rebbe der Lubawitscher, einer ursprünglich aus Osteuropa stammenden Frömmigkeitsbewegung des 18. Jahrhunderts, gewesen, hat ihre jungen Paare getraut, ihre Söhne beschnitten und entschieden, ob das Fleisch einer schielenden Kuh koscher ist oder nicht (es ist nicht).

Seine Anhänger haben auch gehofft, mit Enthusiasmus, wirklichem Glücksgefühl und frohem Sendungsbewußtsein, er sei der Messias. Sie haben Lieder für ihn geschrieben, ihn jeden Freitag besungen, in einem weltweiten Vertriebsnetz ein Videoportrait von ihm verbreitet, auf dem er, verlangsamt nach dem Schlaganfall von vor zwei Jahren, nur noch müde in die Kamera winkt – sprechen konnte er nicht mehr.

Der Lubawitscher Rebbe Foto: Reuter

Man sollte ihn trotzdem nicht so hopplahopp zu einer Art Baghwan erklären. Er repräsentierte den Teil der Frömmigkeitsbewegung, der immerhin noch versuchte, Elemente rationalen Disputs in das Studium der Heiligen Quellen einzubeziehen. Er hatte ein abgeschlossenes Ingenieurstudium an der Sorbonne hinter sich, bevor er die aus Rußland stammende Bewegung in Brooklyn durch die Nachkriegszeit führte.

Er war auch alles andere als weltabgewandt: Vor vier Jahren bescherte er der israelischen Arbeitspartei eine handfeste Regierungskrise, weil er ihren führenden Kopf ebensowenig koscher fand wie den der schielenden Kuh – und das, obwohl Israel für ihn eine terra non grata war, ein Land, das erst nach der Ankunft des Messias überhaupt existieren soll. Was ihn übrigens nicht daran gehindert hat, sich in Kfar Chabad, außerhalb von Tel Aviv, ein genaues Replikat seines Hauptquartiers in Brooklyn errichten zu lassen – wie gesagt, für die Zeit nach der Ankunft des Messias. Er selbst war noch nie in Israel.

Was werden sie jetzt machen? Noch immer hängt sein Bild hinter zahlreichen Theken von Crown Heights bis Jerusalem, ein Abziehbild prangt an jedem Amaturenbrett der Krankenwagen, die zu den von ihm eingerichteten Kliniken fahren. Schneerson hatte keine Kinder und keinen designierten Nachfolger. Mariam Niroumand