Die Herren Aufsichtsräte schliefen fest

■ Zwei deutsch-polnische Stiftungen in Finanzskandal verwickelt

Warschau (taz) – Sie hatten alles, was man in Polen zum Erfolg braucht: eine fast unbegrenzte Menge Geld, eine Adresse in der Warschauer Innenstadt und zahlreiche Prominente im Aufsichtsrat. Doch sie schlitterten in einen internationalen Skandal, der inzwischen zu mehreren Pleiten, fünf Verhaftungen und knapp fünf Millionen Mark Verlust führte.

Die Rede ist von den zwei reichsten Stiftungen Polens, deren Mittel noch dazu vom deutschen Steuerzahler kommen: Die „Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit“ war 1991 mit einer halben Milliarde Mark gegründet worden, die aus Polen erlassenen Schulden stammt. Ungefähr ebensoviel Geld soll die „Stiftung deutsch- polnische Versöhnung“ als humanitäre Hilfe an ehemalige polnische Zwangsarbeiter auszahlen.

Vorstand und Aufsichtsrat der „Zusammenarbeit“ besetzte man paritätisch deutsch-polnisch und die der „Versöhnung“ mit allem, was in Polen Rang und Namen hat: von Ex-Premier Mazowiecki und Ex-Außenminister Skubiszewski bis zum Schrifsteller Andrzej Szczypiorski. Doch das Sagen hatten andere: Bronislaw Wilk zum Beispiel, Ex-Solidarność-Abgeordneter und Chef der winzigen Christdemokratischen Partei, war gleichzeitig im Vorstand beider Stiftungen. Und der Danziger Unternehmensberater Tadeusz Konieczny war im Vorstand der „Zusammenarbeit“ und zugleich Berater der „Versöhnung“. Er war es, der dem Vorständler Wilk nahelegte, freie Mittel in Höhe von knapp 5 Millionen Mark der Stiftung „Versöhnung“ in einer kleinen, unbekannten und kapitalschwachen Bank anzulegen. Das war im Juni 1993, als es der kleinen Bank mit dem großspurigen Namen „Megabank“ gar nicht gut ging – und sie deshalb besonders hohe Zinsen zahlte.

Wilk hätte den Rat ja nicht annehmen müssen, sagte Unternehmensberater Konieczny später. Doch er selbst hatte in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der Stiftung „Zusammenarbeit“ fast gleichzeitig noch mehrere Millionen Mark bei der gleichen Bank angelegt – gegen den Widerstand des zuständigen Finanzdirektors und des Sekretärs der Stiftung, die bereits von den Problemen der Megabank erfahren hatten. Die Bank hatte damals nicht mehr als sechs Millionen Mark Stammkapital und wurde von den Stiftungen aufgeblasen wie ein Frosch.

Die „Zusammenarbeit“ hatte Glück – sie bekam ihre Millionen zurück, wenn auch sehr schleppend. Die „Versöhnung“ dagegen wartet bis heute auf ihr Geld. Das wanderte statt an polnische Kriegsopfer als Kredite an fünf Firmen. Die hatten eines gemeinsam: den Besitzer, Eugeniusz Sienski, und die Tatsache, daß sie kurz nach Erhalt der Finanzspritze zahlungsunfähig wurden. Firmenchef Sienski entpuppte sich als enger Parteifreund von Stiftungsvorständler Wilk. Dieser will davon nichts gewußt haben, obwohl er mit der Bank ein seltsames Abkommen schloß, das es ihm ermöglichte, die Schulden im Falle einer Pleite der Megabank direkt bei den fünf Firmen einzutreiben. Doch die Unternehmen waren selbst pleite und die Bank nahe daran.

Kurz vor Weihnachten kam dann die ganz dicke Bescherung: Die Bank verständigte Wilk davon, daß sein Konto blockiert sei. Die fünf Millionen würden als Bürgschaft für Sienskis Schulden verwendet. Doch eine solche Bürgschaft hatte Wilk nie unterschrieben – sie war gefälscht. Dennoch war es nicht Wilk, der nun zur Staatsanwaltschaft ging, sondern der neue Vorstand der Megabank, der im Dezember sein Amt antrat. Der alte Vorstand sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, zusammen mit Bronislaw Wilk und dessen Parteifreund Sienski.

Gegen Tadeusz Konieczny wird nicht ermittelt, „noch nicht“, wie der zuständige Staatsanwalt mit hochgezogenen Augenbrauen verkündet. Polens Regierung versucht nun, den Schaden zu begrenzen. Die Aktionäre der Megabank, höchst angesehene Firmen, die zum Teil an der Börse notiert sind, haben sich zu einer Kapitalerhöhung bereit gefunden. Eine Tochterbank der Polnischen Nationalbank wird die Megabank demnächst schlucken. Da sie nicht pleite geht, wird die Stiftung „Versöhnung“ wohl ihr Geld zurückerhalten. Die fünf Millionen waren ohnehin nur knapp 2 Prozent ihrer Stiftungsmittel. Die Megabank hauchte mit dieser Affäre ihr kurzes Leben aus. Ihre Aufsichtsräte hatten keine ganz glückliche Hand in ihrer Personalpolitik: Der alte Vorstand sitzt hinter Gittern. Im neuen fand sich ein gewisser Marek Jarocinski, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen verschiedener Finanzaffären gleich in drei Fällen ermittelt.

Aber mit Aufsichtsräten ist das so eine Sache: Auch in der Stiftung „Versöhnung“ war der einzige der vielen Prominenten, der seine Aufgabe ernst nahm, der 85jährige, schwerkranke Ex-Senator Professor Stanislaw Stomma. Von deutscher Seite genossen sowohl Wilk als auch Konieczny höchstes Vertrauen bis zum bitteren Ende. Klaus Bachmann