Berliner Drogenhilfe für Rußland

■ In St. Petersburg will der Verein für Deutsch-Russischen Austausch Abhängigen mit der Akupunkturmethode helfen

St. Petersburg/Berlin (taz) – „Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hat man uns registriert. Wir mußten einmal im Monat unsere Arme vorzeigen“, berichtet ein Mitglied der Drogenszene in St. Petersburg in dem von Olga Zhuk und Natalja Sharandak gedrehten Film „The Kick“. Wenn er der Meldepflicht nicht nachgekommen sei, habe man ihn immer häufiger auf der Straße aufgegriffen. „Man hat mir die Arme auf den Rücken gedreht, geheilt hat man mich nicht. Ich glaube langsam, daß ich nie mehr davon loskomme.“

Bis zu 300.000 Einwohner Petersburgs sollen, so die Schätzungen, drogenabhängig sein, und die Angst, dafür in den Knast zu kommen, ist riesig. Nach einem halben Jahr Gefängnis verliert man seine „Propiska“ und damit das Recht, in der Stadt an der Newa zu wohnen. Gerade im Moment gibt es nach den Beobachtungen von Olga Zhuk anläßlich eines Sportfestes wieder „Säuberungen“ in der Stadt.

Selbst von Ärzten würden, so Zhuk, drogenkonsumierende Menschen meist wie Abschaum behandelt. Ohne direkte Bezahlung hätten sie keine Chance auf Behandlung. Einen gewissen sozialen Halt hätten sie in der Millionenmetropole St. Petersburg allerdings dadurch, daß sie die Drogen meist in privaten Zirkeln herstellen, in denen einer auf den anderen angewiesen ist: „Einer weiß, wie es geht, ein anderer besorgt den Mohn, einer hat eine Wohnung.“

Die russische Drogenszene extrahiert Opiate vielfach aus den in der Ukraine preiswert zu beziehenden Mohnpflanzen. Ähnlich wurde einst in West-Berlin aus den Mohnkapseln von Grabgestecken die „'68er Tinke“ zusammengebraut. Der körperliche Entzug von diesem konzentrierten Gemisch unterschiedlich lang wirkender Opiate ist mit bis zu 14 Tagen besonders lang und von extremen Symptomen begleitet. Ohne symptommildernde Maßnahmen brechen die meisten ihre Entzugsbemühungen bald wieder ab.

Um die Entzugssymptome wie im Westen mit Medikamenten zu unterdrücken, fehlt in St. Petersburg das Geld. Gespendete Medikamente geraten leicht in die Hände der Mafia und sind dann nur noch zu stark überhöhten Preisen auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Zudem ist das Mißtrauen der Szene gegenüber staatlichen und medizinischen Stellen groß.

Als Alternative setzt der Berliner Mediziner Christian Bauer auf Akupunktur, um den körperlichen Entzug zu erleichtern. Die relativ kostengünstige Akupunkturmethode kommt ohne die Zusammenarbeit mit Ärzten und Staat aus. Bei dem bereits an einigen Kliniken in Deutschland, England und den USA erprobten Verfahren dämpfen fünf an bestimmten Punkten des Ohres eingestochene Nadeln die schweren Entzugssymptome wie Angst und insbesondere Schlaflosigkeit.

Ab August soll die mit Bauer zusammenarbeitende erste Selbsthilfegruppe in St. Petersburg „Vorashdenie“ („Rückkehr“) die Technik des entzugunterstützenden Akupunktierens lernen. Bauer: „Innerhalb von nur zwei Tagen können das auch medizinische Laien lernen.“ In einer Art Schneeballeffekt soll sich die Technik dann innerhalb der Drogenszene verbreiten.

Der zu Vorashdenie gehörende Dima Ostrowski versucht bereits seit drei Jahren, Menschen über den körperlichen Entzug zu helfen. In einem Kloster hat er sechs Plätze für eine dreimonatige Nachbetreuung organisiert. Noch im Juni soll in St. Petersburg eine aus Spenden finanzierte Reha-Klinik fertiggestellt werden. Doch für Akupunkturnadeln, ein Desinfektionsgerät und die weitere Vervollständigung der Grundausstattung für Ostrowskis Drogenhilfe fehlen derzeit noch Spendengelder in Höhe von rund 35.000 Mark.

Spendenkonto des Deutsch- Russischen Austausch e.V.:

Bank für Sozialwirtschaft,

BLZ: 100 205 00,

Konto-Nr. 331 81 00, Stichwort: „Drogenhilfe für St. Petersburg“. Knut Janßen