Schulte im Nebel

■ Designierter DGB-Chef bestreitet Geheimabkommen mit Arbeitgebern

Bochum (taz) – IG-Metall-Vorstandsmitglied Dieter Schulte bleibt dabei: Trotz der Rücktrittsforderungen der Dortmunder Stahlkocher wird Schulte heute auf dem laufenden DGB-Bundeskongreß für den DGB-Vorsitz kandidieren. In einem Interview mit der Westfälischen Rundschau erklärte Schulte, er sehe „keinen Grund zum Rücktritt oder Rückzug“. Die Dortmunder Krupp/Hoesch-Betriebsräte hatten Schulte am vergangenen Freitag vorgeworfen, er habe die im Laufe der Krupp-Hoesch-Fusionsverhandlungen verabredeten Mitbestimmungsrechte durch geheime Nebenabsprachen mit dem Chef des Krupp-Hoesch-Konzerns, Gerhard Cromme, hinter ihrem Rücken ausgehebelt.

Der brisante innergewerkschaftliche Streit dreht sich vor allem um die Position des Arbeitsdirektors im fusionierten Konzern. Die näheren Berufungsmodalitäten regelt eine zwischen Schulte und Cromme ausgehandelte „Eckpunkte“-Vereinbarung. Danach sollte dem obersten Konzernvorstand ein Arbeitsdirektor angehören, der „nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bestellt oder abberufen werden“ kann. Dieses Vetorecht, das über die gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkungsrechte hinausreicht, hatte Schulte seinerzeit auf einer Versammlung mit knapp 200 Betriebsräten als besonderen Verhandlungserfolg präsentiert.

Tatsächlich ist dieses schriftlich fixierte Vetorecht aber nichts wert. Denn wie schon berichtet, hat Schulte mit Cromme eine geheime Zusatzvereinbarung getroffen. Die sieht vor, daß für die Mitbestimmung immer dann allein „die gesetzliche Norm“ gilt, wenn sich die Kapitalseite und die Arbeitnehmervertreter über die Bestellung des Arbeitsdirektors nicht einigen können. Im Zeitungsinterview hielt Schulte gestern den Betriebsräten vor, sie hätten die Inhalte dieses geheimen Briefes wohl gekannt, aber nicht kapiert. Schulte wörtlich: „Ich habe ihnen nicht den Brief gezeigt, aber den Inhalt erklärt.“

Das bestreiten die Dortmunder Stahlbetriebsräte – „so blöd sind wir nicht“ – vehement. Hans-Otto Wolf, Geschäftsführer des Krupp- Hoesch-Betriebsrates, wertet die Schulte-Erklärung als „reines Ablenkungsmanöver“. Für die Sicht der Stahlbetriebsräte spricht die vom IG-Metall-Vorstand herausgegebene Dokumentation zur Krupp-Hoesch-Fusion. Darin wird das Vetorecht gefeiert, aber über die geheime Zusatzabsprache findet sich kein Wort. Ein Mann an der DGB-Spitze, der „zu solchen Mitteln greift“, so Wolf, eigne sich kaum als Repäsentant einer glaubwürdigen Arbeitnehmerpolitik. Walter Jakobs