Bremens 1. Frau am Ring

■ Martina Nienburg ist Deutschlands einzige Punktrichterin im Amateurboxen

Sie selbst versteht es am allerwenigsten, wenn man sie fragt. Natürlich, Martina Nienburg (33) ist seit Mitte März dieses Jahres Bremerhavens und Deutschlands einzige Punktrichterin im Amateurboxen mit nationaler Lizenz, aber ist das etwas Besonderes?

Insofern ja, als sie nicht einmal außergewöhnlich boxbegeistert ist. Natürlich hat sie in den 70ern als Jugendliche die großen Kämpfe von Cassius Clay gesehen. „Aber ich hatte bis vor kurzem noch keine Ahnung vom Boxen und fand den Sport nie sonderlich spannend“, erzählt sie mit einer Selbstverständlichkeit, die jede Frage nach einem inneren Widerspruch im Keim erstickt. Dann setzt sie schnell noch eins drauf und erklärt sich als vehemente Gegnerin von Frauenboxen. Die Tübinger Studentin Ulrike Heitmüller, die dafür derzeit im öffentlichen Ring steht, ist „nicht ganz dicht“, sagt sie. „Worauf soll man bei Frauen denn boxen? Die müßten anatomisch so geschützt sein, daß es gar keine Körperregionen mehr gibt, auf die man treffen könnte.“ Sie selbst verdankt ihre Punktrichterin-Karriere ihrem Sohn Ole und ihrer „großen Klappe“. Ihr Junge nämlich hatte sie erstmals mit zum Boxtraining beim Weser Boxring in Bremerhaven „geschleift“. „Das Boxtraining fand ich damals okay, Boxen selbst nicht“, erinnert sie sich. Über diese Verbindung hat sie dann auch die ersten Boxveranstaltungen des Weser Boxrings besucht.

Sie hatte keine Ahnung, keine Boxkompetenz, in einer Umgebung von Boxern, denn auch ihr Lebensgefährte frönt dem Sport als Jugendtrainer in Bremerhaven. Da ist sie dann durch einen „dummen Schnack“ gleich „verhaftet“ worden: Bei einem Kantinengespräch der Vereinsführung sei der Satz gefallen: „Kampfrichter kann jeder werden.“ Etwas zu laut, wie Martina Nienburg erzählt, denn sie hat ihn gehört. „Ich auch“, habe sie in den Raum gefragt, und damit war sie schon für den Lehrgang angemeldet. Acht Wochen lang hat sie dann regelrecht gebüffelt: Die Gewichtsklassen: Wer mit wieviel Kilo kämpft wo? Was ist verboten beim Boxen („Praktisch alles außer Boxen.“). Was ist ein Treffer? „Alles, was aus der Schulter mit Kraft aus der Deckung kommt.“

Dieses Lernen hat sie immer als Investition betrachtet. „Ich wollte das, was ich mir da angeeignet hatte, jetzt auch anwenden.“ Als Punktrichterin. So geht es ihr immer. Martine Nienburg bildet auch in erster Hilfe aus, weil sie das gelernt hat. An ihre Punktrichterin-Lizenz hat sie dann noch „einen C-Übungsleiter“ drangehängt, und jetzt hat sie auch in punkto Gymnastik so viel auf dem Kasten, daß sie unter den Boxern des Vereins als Fachfrau anerkannt ist. Wenigstens theoretisch. Sie selbst hält sich für die „personifizierte Unsportlichkeit“: „Wenn ich einmal auf den Sandsack haue, tun mir drei Tage die Finger weh.“ Ihren Lehrgang für die Punktrichterin-Lizenz hat sie aber als beste abgeschlossen.

Mittlerweile hat sie 54 Kämpfe gepunktet. Dann sitzt sie mit zwei oder vier anderen Punktrichtern vor ihrem kleinen Schalter und drückt, sobald ein Boxer einen Treffer gelandet hat. Bei drei PunktrichterInnen müssen binnen einer Sekunde mindestens zwei, bei fünf mindestens drei gedrückt haben, bevor der Punkt für die rote oder blaue Ecke registriert wird. Schummeln ist da praktisch unmöglich.

Ringrichterin will sie nicht mehr werden. „Dafür bin ich nicht schnell genug.“ Außerdem hat sie einen gesunden Horror davor, zwischen die Boxer zu treten, wenn die sich im Nahkampf verhakt haben. Als Punktrichterin will sie aber weiter machen, wenn möglich vielleicht mal auf internationaler Ebene. mad