Kita-Programm liegt weiter auf Eis

■ Jäger erzwingt Vertagung der Senatsentscheidung auf 5. Juli / Gaertner stinksauer

Irmgard Gaertner war stinksauer. Zum zweiten Mal in acht Tagen schaltete gestern der Ampelsenat für das „Kindertagesheim-Erweiterungs-Programm“ (KEP) auf rot. Denn nach dem Veto von Finanzsenator Volker Kröning (SPD) bei der Senatssitzung am letzten Dienstag zog gestern „wider alle Erwartungen“ Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) die Notbremse: Er beantragte die Aussetzung einer Entscheidung über das KEP bis zum 5. Juli – für Bürgermeister Wedemeier ein Antrag des Koalitionspartners, dem entsprochen werden mußte. Dabei hatte die FDP noch am Abend zuvor im Koalitionsausschuß Zustimmung in der Kindergartenfrage signalisiert.

„Ich bin einigermaßen verbittert“, empörte sich Gaertner nach der Nicht-Entscheidung über den beantragten Neubau von 552 Kindergartenplätzen. „Der Wirtschaftssenator hat seinen Antrag nicht qualitativ begründet. Er stellt infrage, daß das Programm solide finanziert ist und tut so, als ob wir zu blöd zum Rechnen sind. Der Vorgang ist politisch kaum erträglich.“

Der Bund hat im „Schwangeren- und Familienhilfegesetz“, das zur Neuregelung des §218 geschaffen wurde, einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab drei Jahren ab dem 1.1.1996 festgeschrieben. Demnach müßten in Bremen bis 1996 noch etwa 2.200 Plätze geschaffen werden. Von dieser Vorgabe hat sich die Behörde aber bereits verabschiedet: 1.362 neue Plätze ist die Marke, die nun erfüllt werden soll.

Von diesen Plätzen wiederum sind 552 in der aktuellen Planung, die vor allem an sozialen Brennpunkten in Gröpelingen, Walle und Obervieland entstehen sollen. „In diesen Stadtteilen muß schnell etwas geschehen, denn wenn nichts passiert, gehen die Leute nicht demonstrieren, sondern resignieren und stimmen bei der nächsten Wahl für extreme Parteien,“ meinte Gaertner. Die neuen Plätze liegen aber nun auf Eis: Ohne grünes Licht aus dem Senat kann Irmgard Gaertner mit den Trägern keine Verträge schließen oder feste Zusagen geben. „Es gibt massiven politischen Handlungsbedarf, denn Bremen hat einen Riesenbedarf an Kindergartenplätzen“, meinte Gaertner. Sie verweist darauf, daß das jetzt blockierte Programm bereits stark abgespeckt ist. „Das Thema ist ausgereizt, es gibt keinen plausiblen Grund, zur Ablehnung.“

Bürgermeister Wedemeier zeigte sich gestern im Anschluß an die Senatssitzung wenig erfreut über die harsche Reaktion seiner Parteifreundin Gaertner: „Ich kann nur zur Besonnenheit raten und den Konsens mit dem Finanzsenator zu suchen.“ Die Verschiebung der Entscheidung um weitere zwei Wochen sei kein Drama und hänge allein damit zusammen, daß der Senat zuvor über die Umsetzung der selbstverordneten Einsparungen von 120 Millionen Mark in diesem Jahr entscheiden solle. Wedemeier in Richtung Gaertner: „Da darf man meine Geduld auch nicht überstrapazieren.“

Auch Wirtschaftssenator Claus Jäger findet die Aufregung bei seiner Senatskollegin „absurd“. Jäger: „Wenn der Finanzsenator in seiner Verantwortung für den Haushalt des Landes sein Veto einlegt, dann ist es normal, dem zu folgen.“ Auch im Koalitionsausschuß am Vorabend habe er genauso argumentiert.

Die Gaertner-Vorlage sei zum zweiten Mal unverändert in die Beratungen eingebracht worden: Grund genug für das rote Licht des Wirtschaftssenators: „Ein Land, das sich in einer Haushaltsnotlage befindet und argwöhnisch von den anderen Ländern und dem Bund betrachtet wird, kann sich nicht eine dermaßen gute Versorgung leisten.“ Bundesweit nämlich liege Bremen bei dem Kita-Platz-Angebot mit einer Quote von 83 Prozent an der Spitze aller Städte.

„Die Finanzierung dieses Programms ist in keiner Weise gesichert“, sagte Jäger weiter. Denn die von Irmgard Gaertner dafür ins Auge gefaßten Minderausgaben bei der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung sollten nicht dem Sozialhaushalt zugute kommen, sondern zur Schuldentilgung genutzt werden.

Schließlich hätte die Entscheidung auch deshalb verschoben werden müssen, damit der neue Finanzsenator Manfred Fluß, der Anfang Juli sein Amt antreten soll, sich dazu äußern könne. Vor allem aber wehrt sich Jäger gegen das Image des unsozialen Sparschweins: „Ich bin ein ganz großer Freund von Kindergärten. Wir waren fünf Kinder und alle im Kindergarten. Da lernt man nämlich soziales Verhalten, und das kann man im Senat gut gebrauchen.“ bpo/Ase