Senats-Straßenkampf „zunächst“ eingestellt

■ Haase steckt zurück: Nur zwei von elf Straßen sollen umbenannt werden / Marx, Engels und Pieck müssen weg

Die angekündigte Umbenennung von elf Straßen im Ostteil der Stadt findet nun doch nicht statt. Man habe die Umbenennungen zunächst zurückstellen müssen, bestätigte Tomas Spahn, Pressesprecher des Verkehrssenators. Das liege unter anderem daran, daß die SPD sich quergelegt habe. Schließlich, so der Pressesprecher, wolle man keinen Koalitionsstreit provozieren. Vorläufig werden nur der Marx-Engels-Platz und die Wilhelm-Pieck-Straße zum Jahresende umbenannt.

Mit der vom stellvertretenden Senatssprecher Heußen geäußerten Sorge, „wer jetzt im Osten alles kurz und klein schlägt, hat dort bald 50 statt 40 Prozent PDS-Wähler“, habe der Rückzieher nichts zu tun. Das sei „absurd“, sagte Tomas Spahn. Von der Kommission gemachte Vorschläge zur Straßenumbenennung könnten ohnehin bloß Leute treffen, die sowieso schon PDS wählen.

Als Verkehrssenator Haase (CDU) im September 1993 die „Unabhängige Kommission zur Umbenennung von Straßen“ einberufen hatte, benötigten die Experten sechs Monate, um ihre Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen. Im Abschlußbericht vom 17.3. 1994 zeigte sich, daß damit die Unabhängigkeit von all dem gemeint war, was in Deutschland auch nur annähernd antimilitaristische oder antifaschistische Traditionen verkörperte. Denn während im Westteil mehr als 200 Straßen die Namen von monokeltragenden Schlächtern, alten Nazis und deren Steigbügelhaltern tragen, will der Verkehrssenator nicht mit Straßennamen wie Clara-Zetkin- Straße leben. Schließlich, so die Experten, sei die Alterspräsidentin des Deutschen Reichstages eine überzeugte Anhängerin Lenins gewesen und habe die Parteidiktatur der Bolschewiki verteidigt.

Nach den Vorschlägen der Kommission sollten außerdem neben der Wilhelm-Pieck-Straße und dem Marx-Engels-Platz der Bersarinplatz, die Hans-Beimler-Straße, das Kapelleufer, die Karl-Liebknecht-Straße, die Karl-Marx-Allee, die Mollstraße, die Niederkirchnerstraße und auf zwei Teilstücken die Dimitroffstraße umbenannt werden. Doch die Geschichtsbereinigung fand zunächst ihre Grenzen durch die Europawahl. Wegen der Versendung von Wahlbenachrichtigungen durften auf Geheiß des Landeswahlleiters zwischen dem 25. März und dem 25. Juni keine Straßenumbenennungen durchgeführt werden. Wegen der Bundestagswahl im Oktober gilt zwischen dem 1. August und dem 16. Oktober eine weitere Umbenennungssperre.

Heute will die PDS ab 10 Uhr in der Clara-Zetkin-Straße (Mitte) mit einem Straßenfest gegen die Umbenennungen protestieren. Peter Lerch