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„Könnten Sie's mir etwas billiger machen“

Wird das Rabattverbot abgeschafft, könnte auch in Deutschland das Feilschen salonfähig werden / Am 16. Juni entscheidet der Bundestag darüber / Der deutsche Einzelhandel ist empört  ■ Von Barbara Dribbusch

Berlin (taz) – Solche Zeitgenossen sind den Händlern ein Graus: Im Hi-Fi-Laden machen sie mit feinem Instinkt den heimlichen Ladenhüter aus und drücken den ohnehin herabgesetzten Preis noch weiter herunter. Kaufen sie sich ein paar Unterhosen, entdecken sie garantiert irgendwo einen Staubfleck: Preisrabatt ist fällig. Sogar beim Gemüsehändler wird ein Nachlaß ausgehandelt. Feilschen ist bisher in diesem Land etwas für Mutige. Fällt das Rabattgesetz, könnte die Handelei aber bald populärer werden.

Am 17. Juni stimmt der Bundestag über das „Gesetz über die Deregulierung des Rabattrechts“ ab. Kommt die neue Regelung durch – und dafür spricht die positive Entscheidung im Wirtschaftsausschuß des Bundestages – können Geschäfte dem Einzelkunden künftig beliebige Preisnachlässe gewähren. Laut dem 1933 eingeführten Gesetz durften dem Letztkunden bisher ohne besonderen Grund nur Rabatte bis zur Höhe von drei Prozent eingeräumt werden. „In vielen Branchen hielten sich die Händler nicht an diese Grenze“, erklärt Gudrun Stoeff, Referentin in der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV). Die AgV ließ in einer Umfrage ermitteln, wie viele der Verbraucher schon einmal „gewinnbringende Preisgespräche“ geführt hätten. Ergebnis: 40 Prozent gaben an, beim Autokauf gehandelt zu haben. 28 Prozent bemühten sich beim Kauf von Bekleidung um Rabatt, 21 Prozent beim Erwerb von Möbeln. Auch Fernseher (21 Prozent), Küchen (18 Prozent), Hi-Fi- Geräte (15 Prozent) und Teppiche (15 Prozent) wurden von den Befragten heruntergehandelt.

„Die Leute sind heute sehr an Vergünstigungen interessiert“, erzählt auch Michael Eck, Geschäftsführer im Einrichtungshaus „Schneller Wohnen“ in Berlin. Er befürchtet wie viele andere Einzelhändler, daß sich diese Tendenz noch verstärkt, wenn das Rabattgesetz geändert wird. Auch Catrin Burmester-Henning von der Designer-Boutique „Cami“ in Berlin kennt ihre Klientel: „Bei uns gibt es einen bestimmten Kundentyp, der sucht immer so lange, bis er irgendwo einen Fehler findet und den Preis drücken kann. In den kleinen Läden glauben die Leute manchmal, hier ist der Flohmarkt.“ Die Händler sind nicht scharf drauf, daß offiziell erlaubt wird, auf was sich viele nur im Einzelfall einlassen wollen.

Schützenhilfe bekommen die Mittelständler vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Wir sehen die geplante Deregulierung ausgesprochen negativ“, meint Armin Busacker, Hauptgeschäftsführer des HDE. Da die Preise, bedingt durch den harten Konkurrenzkampf, ohnehin knapp kalkuliert würden, müsse der Händler den gewährten Rabatt irgendwo auf die Preise wieder draufschlagen. „Der Kunde verliert die Orientierung. Wenn sie dann aus dem Geschäft herausgehen, müssen Sie sich doch immer fragen: 'Habe ich genug herausgeholt?‘“, gibt Busacker zu bedenken.

Das Gefeilsche im Klamottenladen ist jedoch harmlos gegenüber der Rabattschlacht, die in den Kaufhäusern droht. Wird das alte Gesetz aufgehoben, könnte es in manchen Warenhäusern bald aussehen wie „auf einem permanenten Rummel“, so Busacker. Dann wäre beispielsweise erlaubt, an bestimmten Tagen Werbeaktionen für Kundengruppen zu organisieren („heute alle Schulartikel zum halben Preis“). Mit der Ausgabe von Kundenkarten könnte ein Kaufhaus allen Karteninhabern grundsätzlich einen bestimmten Rabatt einräumen. Der Zwang, ständig Rabatte zu gewähren, könne außerdem für die Kaufhäuser bedeuten, daß „die Kalkulation erschwert wird“, so Elmar Kratz, Sprecher des Hertie-Konzerns in Frankfurt. Einen direkten Handel mit den Verkäuferinnen an ihren EDV-gestützten Kassen hält Kratz ohnehin für „undenkbar“.

Die AgV bejaht die Abschaffung des Rabattverbots. Die Kaufhäuser aber sind skeptisch- auch noch aus einem anderen Grund. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) will nämlich auch weiterhin die sogenannten Jahresumsatzrabatte verbieten. Damit wird nicht möglich, was den Kaufhäusern mit ihrem breiten Angebot einen großen Wettbewerbsvorteil verschaffen würde: dem Kunden dann Rabatt zu gewähren, wenn er im Jahr eine bestimmte Kaufsumme erreicht. Claude Fabre vom französischen Medienkonzern „fnac“ in Berlin ist über diese Einschränkung nicht glücklich. „Für uns ist es wichtig, daß wir in Deutschland das einführen können, was wir anderswo schon machen.“ Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem ein Rabattverbot gilt.

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