Der CDU-Schatzmeister und die Detektive

■ CDU-Mann soll Parteifreunde und SPD-Politikerin ausgehorcht haben

Halle/Magdeburg (taz) – J.R. Ewing hätte seine helle Freude gehabt an Michael Joosten. Der Schatzmeister des CDU-Landesverbandes Sachsen-Anhalt steht seit gestern unter Verdacht, andere Politiker in Sachsen-Anhalt bespitzelt zu haben. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Christel Hanewinckel informierte gestern in Halle die Presse über den Vorfall.

Danach soll eine private Detektei in Joostens Auftrag über einen längeren Zeitraum hinweg versucht haben, irgend etwas Belastendes aus der Vergangenheit, dem gegenwärtigen Berufsleben und auch der Privat- und Intimsphäre von drei CDU-Politikern sowie der SPD-Umweltstadträtin von Halle und gescheiterten Bewerberin für das Oberbürgermeisteramt, Dagmar Szabados, ans Tageslicht zu bringen. Weitgehend vergeblich offenbar, denn die Berichte über die vier Politiker, die der Bundestagsabgeordneten zugespielt wurden, sind ausgesprochen dünn. „Es hat von der Detektei aus offenbar nur Anfangsermittlungen gegeben, in der Hoffnung, irgendwelche Dinge zu finden, wo man weitergraben kann“, sagte ein Mitarbeiter der Abgeordneten. „Und weil man nichts gefunden hat, hat man die Ermittlungen wieder abgeschlossen.“ Keine halbseidenen Bettgeschichten, keine wendeschnell retuschierte Stasi-Vergangenheit. Dennoch ließ sich Joosten die Neugier der Detektive und ihre mageren Berichte offenbar etwas kosten. Der Zahlungsbeleg, der Joostens Auftraggeberschaft belegt, liegt Hanewinckel ebenfalls vor.

Daß Joostens Intrigennetz riß und aufflog, würde J.R. Ewing sicherlich als Künstlerpech bezeichnen. Aber der Landesschatzmeister bewies bei weitem nicht soviel Stehvermögen wie das texanische Ekel. Joosten zog sich erst mal aus der Affaire und verschwand. Obwohl er als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, als Mitglied des CDU-Kreisvorstandes von Halle und als Aufsichtsratsmitglied in zwei städtischen Gesellschaften mitten in der Woche sicher eine ganze Menge in Halle zu tun hat, entschwand der 1991 aus dem Westen an die Saale importierte Christdemokrat gestern ins heimische Lörrach.

„Ich habe auch eben erst von dem Vorfall erfahren und sofort versucht, Joosten in Halle anzurufen“, sagte der CDU-Landesgeschäftsführer Bernd Reisener, ebenfalls ein Spitzelopfer. „Da sagte man mir, er sei nach Lörrach unterwegs, aber das Autotelefon nimmt er auch nicht ab.“ Für Reisener war die Nachricht offenbar ein vollkommen unerwarteter Schlag unter die Gürtellinie. „Ich habe als Landesgeschäftsführer der Partei natürlich immer eng mit dem Schatzmeister zusammengearbeitet“, sagte Reisener. „Wenn das alles so stimmt, dann bin ich nicht nur menschlich enttäuscht, sondern halte das Ganze auch politisch für eine bodenlose Schweinerei.“ Verständlich, denn nachdem die CDU bei den Kommunal- und Europawahlen ihr Tief überwinden konnte, kann sie so kurz vor der Landtagswahl am 26. Juni alles andere als eine neue Spitzelaffaire brauchen. Eberhard Löblich