Gute Karten für Schönefeld

■ Planungsunterlagen für den Großflughafen Berlin-Brandenburg liegen zur Einsicht aus: Ökologische Schäden in Schönefeld geringer als in Sperenberg und Jüterbog

Carsten Preuß macht Urlaub – nicht um den märkischen Sommer zu genießen, sondern um einige tausend Seiten Akten durchzuarbeiten. Die Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) war so freundlich, dem Sprecher der Bürgerinitiative gegen den Flughafen Sperenberg ein eigenes Exemplar der Planungsunterlagen für den Großflughafen Berlin-Brandenburg International (BBI) zur Verfügung zu stellen. Auch die BürgerInnen der drei in Aussicht genommen Standorte Schönefeld, Sperenberg und Jüterbog können sich bis Ende Juni erstmals genaue Kenntnisse über ihre mögliche Zukunft verschaffen: In den Landratsämtern der betroffenen Gemeinden sowie in den Berliner Bezirksämtern Neukölln, Treptow, Köpenick und Tempelhof liegen die Planungsunterlagen zur Einsicht aus.

Nach den Unterlagen der BBF sprechen einige Argumente für den Standort Schönefeld. Weil dort bereits ein Airport existiert, der lediglich ausgebaut würde, ist der Flächenverbrauch geringer. In der ersten Ausbaustufe würden 1.545 Hektar Freifläche Start- und Landebahnen, Terminals sowie Gewerbeansiedlungen geopfert. An den Standorten Sperenberg und Jüterbog wären es dagegen wesentlich mehr: Der Neubau verschlänge jeweils knapp 2.000 Hektar Wiesen, Wälder und Felder.

In Schönefeld würde auch deswegen weniger Freifläche verbraucht, weil die für einen Großflughafen notwendigen Straßenverbindungen größtenteils bereits vorhanden sind. Die Planer veranschlagen 9,3 Kilometer Straßenausbau und -neubau mit zusätzlichem Freiflächenbedarf von 24 Hektar. Anders dagegen in Sperenberg: 67,5 Kilometer vierspurige Bundes- und Landstraßen sollen neu, weitere 71 Kilometer ausgebaut werden. Landschaftsverbrauch: 250 Hektar. Auf eine Straßenbauorgie darf sich auch die Bevölkerung rund um Jüterbog einstellen: 131 Kilometer Asphalt mit einem Flächenverbauch von 192 Hektar kämen durch Aus- und Neubau hinzu.

Auswirkungen hat die schon vorhandene Straßenanbindung von Schönefeld für die Kosten des Flughafenprojekts von 20 Milliarden Mark: Der Ausbau des Airports im Berliner Süden würde den öffentlichen Kassen Ausgaben in Milliardenhöhe ersparen. Die finanziellen Vorteile sind außerdem größer, weil die neu anzulegenden Bahngleise nach Schönefeld kürzer sind als zu den 45 und 59 Kilometer vom Berliner Zentrum entfernten Orten Sperenberg und Jüterbog. Entscheidender Nachteil von Schönefeld gegenüber den beiden Konkurrenten in der märkischen Heide ist die Lärmbelästigung der AnwohnerInnen durch die startenden und landenden Düsenjets. Für die erste Ausbaustufe mit einer Kapazität von 25 Millionen Passagieren pro Jahr plant die BBF bis zu 81 Starts und Landungen pro Stunde ein – rund alle 40 Sekunden soll ein Düsenklipper dröhnen. Schon heute wohnen einige tausend BürgerInnen in der Umgebung des Ost-Airports, und in Zukunft werden es mit Sicherheit mehr, denn nach gängigen Prognosen wird sich die Bundeshauptstadt Berlin in erster Linie nach Süden ausdehnen. In einigen Jahrzehnten könnte Schönefeld von Wohnhäusern und Gewerbeansiedlungen umgeben sein, was trotz schallgedämpfter „Flüsterjets“ ähnliche Probleme mit sich bringt wie bei den beiden innerstädtischen Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof, die unter anderem wegen der Lärmbelastung in absehbarer Zeit geschlossen werden sollen.

Negativ für Schönefeld schlägt außerdem zu Buche, daß für die erste Ausbaustufe 720 AnwohnerInnen ihre Häuser räumen müssen, um für neue Straßen Platz zu machen. Für den Endausbau sollen noch einmal 180 Menschen umziehen. Im Falle von Sperenberg sollen 191 BürgerInnen ihre Heime verlassen, in Jüterbog wären keine Umsiedlungen notwendig.

Gegen den Standort Jüterbog spricht neben den herben Eingriffen in die Natur vor allem die lange Fahrtzeit der aus Berlin kommenden Fluggäste. Nach den Berechnungen der Flughafen-Holding würden die Reisenden mindestens 23 Minuten brauchen, um mit der Bahn vom neuen Berliner Zentralbahnhof den Flughafen zu erreichen, von der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam eine halbe Stunde. Schönefeld liegt mit 16 und 19 Minuten Fahrtzeit erheblich näher – für die notorisch unter Zeitmangel leidenden Fluggäste ein wichtiges Argument.

Bei der Bewertung des möglichen Standorts Sperenberg wird der brandenburgische Umweltminister Matthias Platzeck vor allem die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen haben. Die im Endausbau geplanten vier Start- und Landebahnen des riesigen Flugplatzes liegen in dem bereits geplanten Naturpark „Baruther Urstromtal, Niederer Fläming“, schon heute existieren dort drei Naturschutzgebiete, die zubetoniert würden.

In den beim Ministerium eingereichten Unterlagen räumt die BBF die „Zerstörung vielfältigen Naturraumpotentials, den Verlust zahlreicher wertvoller Biotope und Gefährdung bedrohter Tierarten“ ein. Was die ebenfalls in den Plänen genannten „großflächigen Rodungen“ bedeuten, bringt der Sperenberger Flughafengegner Carsten Preuß auf den Punkt: „Förster haben ermittelt, daß etwa 22 Millionen Bäume gefällt werden müßten.“ Außerdem werde es langfristig zu einer Grundwasserabsenkung von zwei Metern kommen, was Feuchtgebiete und Wälder auch außerhalb des Flughafengeländes schädige.

Trotzdem gibt es Hinweise aus der brandenburgischen Landesregierung, daß der Neubau des Großflughafens in Sperenberg oder Jüterbog angestrebt wird. Hintergrund: Durch die gigantischen Baumaßnahmen würde mehr Geld in die strukturschwachen Regionen mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit fließen als beim Ausbau von Schönefeld. Die BBF weiß diese Bestrebungen zudem mit wohlklingenden Zahlen über die möglichen Beschäftigungseffekte zu unterstützen. Die Unterlagen geben Auskunft, daß in der ersten Ausbaustufe mit „60.000 bis 115.000, im Endausbau mit 120.000 bis 230.000“ direkt und indirekt für den Flughafen arbeitenden Menschen zu rechnen sei. Einen herben Dämpfer erteilen diesen Höhenflügen allerdings das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und die Beratungsfirma Arthur D. Little in einem Gutachten, das die BBF bislang zurückhält: Ein stadtferner Airport, so die Experten, schaffe nicht mehr als 17.000 zusätzliche Jobs, weil viele Unternehmen kein Interesse hätten, sich irgendwo in der märkischen Heide niederzulassen.

Während die BBF den neuen Flughafen unbedingt bauen will, sind einige Bürgerinitiativen an den möglichen Standorten, der Berliner Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie Bündnis 90/ Grüne, strikt gegen die hochtrabenden Planungen. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, warnt davor, bei der Fliegerei dieselben Fehler zu machen wie beim Autoverkehr. „Wer Flughäfen baut, wird Verkehr ernten“, so Cramer. Wie der BUND plädiert Cramer dafür, den Flugverkehr zu reduzieren, anstatt durch einen Großflughafen die Voraussetzungen für die schnelle Zunahme der Luftfahrt zu schaffen. Die innerstädtischen Airports Tegel und Tempelhof sollten so schnell wie möglich geschlossen und der Flugverkehr auf dem existierenden Flugfeld in Schönefeld zusammengefaßt werden. Hannes Koch

Bedenken und Anregungen der Bevölkerung nehmen bis zum 14. Juli die Landratsämter, Bezirksämter und das brandenburgische Umweltministerium entgegen. Rechtliche Bedeutung hat diese Bürgerbeteiligung allerdings kaum.