Demokratie-Übung ohne Ausländerbeteiligung

■ Steglitzer Rektor ließ Ausländer nicht an Probewahl teilnehmen / Stadtrat Härtel: mehrfach „Eindruck einer gewissen Ausländerfeindlichkeit“ erweckt

Wochenlang hatten sich rund 250 Schüler und Schülerinnen der Steglitzer Hermann-Hollerith- Oberschule im Politikunterricht auf eine Diskussion mit mehreren Europawahl-Kandidaten im Reichstag vorbereitet. Damit die Übung in parlamentarischer Demokratie realitätsnah ausfiel, durften die Jugendlichen auch probeweise ihr Votum abgeben. Doch nicht alle durften mitgehen. Der Rektor der Schule, Hansjörg Ebert verfügte, daß 39 überwiegend türkische und kroatische Jugendliche ausgeschlossen wurden. Die Begründung lautete: Sie dürften sowieso nicht mitwählen.

Wie die Schülerberatungsstelle Neukölln mitteilte, bei der sich die betroffenen SchülerInnen beschwerten, habe man sich von jugendlichen Nicht-EG-Ausländern teilweise sogar Ausweise zeigen lassen. Auch das soll der Schulleiter veranlaßt haben, der in der Vergangenheit schon mehrfach durch umstrittene Äußerungen und autoritäres Auftreten gegenüber Schülern und Lehrern aufgefallen war.

Norbert Wendt, Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber der taz: „Wir kennen Hansjörg Ebert schon seit über zwanzig Jahren. Es gab schon massenhaft Versuche, ihn disziplinarrechtlich zu belangen, weil er beispielsweise illegale Akten über Lehrerkollegen angelegt hat. Wir haben schon vor Jahren ein Schwarzbuch zu Ebert herausgebracht.“

Im November 1991 war der Rektor vom türkischen Schüler Cem B. mit drei Messerstichen verletzt worden, nachdem er diesem Hausverbot erteilt hatte. Daraufhin hatte Ebert den Aufbau von Bürgerwehren und die Bewaffnung von Lehrern propagiert, um „irregeleitete Schülerhorden“ in den Griff zu kriegen. Kritiker an seinen Äußerungen waren von ihm öffentlich als „liberale Scheißer“ und „Asoziale“ bezeichnet worden.

Auch der Steglitzer Volksbildungsstadtrat Thomas Härtel (SPD) bestätigte, daß gegen den Rektor mehrfach disziplinarrechtlich ermittelt wurde. Es habe immer wieder Auseinandersetzungen mit Ebert gegeben, der im nächsten Jahr in Pension gehen wird.

Insbesondere erinnere er sich an einige „unglückliche Formulierungen“ hinsichtlich ausländischer Schüler, die „den Eindruck einer gewissen Ausländerfeindlichkeit des Herrn Ebert erweckt“ hätten. „Daß Schüler aus Nicht-EG-Staaten vom Reichstagsbesuch mit Probewahl ausgeschlossen werden, halte ich für pädagogisch nicht vertretbar.“

Hansjörg Ebert bestreitet, ausländische Jugendliche von der Veranstaltung im Reichstag ausgeschlossen zu haben. Er habe die Sache nicht organisiert, letztendlich aber die Auswahl der Lehrer gebilligt. Die hätten sich auf die Wahlberechtigten beschränkt. Schließlich habe man aus Platzgründen nur 240 Schüler in den Reichstag mitnehmen können.

Ersatzweise hatte der Schulleiter für die ausländischen Jugendlichen eine Parallelveranstaltung angeboten. Das Thema: Jugendgewalt. Peter Lerch